Das Bundesgericht bestätigt seine Ansichten (2019)

Geringfügige Menge Cannabis

Wieder musste sich das Bundesgericht zur Straffreiheit einer geringfügigen Menge Cannabis äussern. Diesmal ging es um den Besitz von einem Gramm durch einen Jugendlichen. Obwohl sich das Bundesgericht schon deutlich im Urteil von 2017 geäussert hatte, wollte die Oberjugendstaatsanwaltschaft Zürich es nochmals wissen. Und verlor auf ganzer Linie.

Konsum einer geringfügigen Menge

Das Urteil enthält aber auch weitere interessante Stellen, zum Beispiel zum Umgang mit dem Konsum einer geringfügigen Menge. Hier spricht sich das Bundesgericht wiederholt dafür aus, diesen nicht zu bestrafen.

Das zehnseitige Urteil mit einigen Kommentaren von uns

Am 8.1.17 wurde ein Jugendlicher kontrolliert, am 23.1.17 sprach die Jugendanwaltschaft Winterthur einen Verweis aus, am 29.6.17 urteilte das Bezirksgericht Winterthur, am 5.4.18 folgte das Obergericht des Kantons Zürich und nun am 2.7.19 kam das Urteil vom Bundesgericht. Was man an diesen Daten sieht: Selbst ein kleiner Fall, mit eigentlich klarer Rechtslage, benötigt bis zur bundesgerichtlichen Klärung zweieinhalb Jahre. Das ist auch einer der Gründe, wieso sich nur wenige wehren: Der Fall bleibt dann unter Umständen jahrelang pendent. Das wissen auch die Staatsanwaltschaften: So erlassen sie einfach mal einen Strafbefehl und können schauen, ob sich die Bestraften wehren - oder wie den allermeisten Fällen dieses Urteil halt akzeptieren. Damit waren sie in den letzten Jahrzehnten in zehntausenden Fällen ja auch erfolgreich.

Zu klären ist hier: Ist der Besitz einer geringfügigen Menge Cannabis durch Jugendliche strafbar? Zum Verständnis: Beschwerdeführerin ist die Oberjugendanwaltschaft Zürich, die Beschwerdegegnerin die Anwältin des Beschuldigten.

Hier wird das Bundesgericht grundsätzlich und ruft in Erinnerung, dass Handlungen, die im Gesetz als nicht strafbar bezeichnet sind, in einem Rechtsstaat auch nicht bestraft werden dürfen. Eigentlich eine Binsenwahrheit, aber die Oberjugendanwaltschaft scheint das nicht zu beherzigen.

Das Thema gehört eigentlich nicht direkt zum Fall, aber das Bundesgericht erwähnt zum wiederholten Male, dass der (eigentlich ja immer strafbare) Konsum im Bereich des Konsums einer geringfügigen Menge nicht unter BetmG 19a1 sondern unter BetmG 19a2 zu fallen habe. Dieser Artikel (leichter Fall bei Übertretungen) wird allerdings praktisch nie angewendet. Bei einem solchen leichten Fall kann das Verfahren eingestellt werden, es kann eine Verwarnung ausgesprochen werden oder von Strafe abgesehen werden. Oder eher: könnte.

Das Bundesgericht bekräftigt hier auch nochmals, dass BetmG 19b bereits seit 1975 gilt. Und: Dass der Konsum auch seit dieser Revision in einem gewissen Rahmen weiterhin straffrei bleiben sollte. Das ist halt wieder so etwas, was die Strafverfolgungsbehörden einfach nicht wahrhaben wollen. Aber an diesem Thema sollten wir dran bleiben.

Nun kommen die Überlegungen zu den Jugendlichen bzw. wie Jugendliche laut BetmG von Erwachsenen zu unterscheiden sind. Doch es sieht bei der geringfügigen Menge keine Unterscheidung gegeben.

Dann erklärt das Bundesgericht der Jugendanwaltschaft auch noch den Jugendschutz. „Dem Jugendschutz wird im BetmG indes nicht mit einer härteren Bestrafung Jugendlicher im Vergleich zu Erwachsenen Rechnung getragen. Vielmehr sah der Gesetzgeber die härtere Bestrafung der Abgabe (…) an Jugendliche (…) vor.“ Und das macht ja auch Sinn. Wir bestrafen ja auch die Abgabe von Spirituosen an Jugendliche, aber nicht den Besitz von Spirituosen durch Jugendliche.

Die Meldebefugnis knüpft nicht an eine strafrechtliche Verurteilung an, auch hier erklärt das Bundesgericht der Oberjugendanwaltschaft die Rechtslage. Gefährdete Jugendliche können auch ohne strafrechtliche Verfolgung gemeldet werden. Merke: Das Strafrecht ist nicht für alles zuständig - und auch nicht sinnvoll.

Letztlich ist das Fazit für die Beschwerdeführerin vernichtend. Man muss sich schon fragen, was dort für „Juristen“ arbeiten. Aber klar, sie sind in guter Gesellschaft: Praktisch keine Strafbehörde wollte das BetmG so interpretieren wie das Bundesgericht es tat. Und ob sie es ab nun tun werden, müssen wir schauen. Deshalb sind wir froh um die Zusendung von Strafbefehl-Kopien aus allen Gegenden!

Die Einziehbarkeit einer geringfügigen Menge wird leider auch diesmal nicht vom Bundesgericht geklärt und bleibt also offen.

Fazit

Sowohl die geringfügige Menge wie auch BetmG 19a, Ziffer 2 wollten die Strafverfolgungsorgane nie wirklich anwenden. Stattdessen klagen sie über ein unklares Gesetz, das ihnen so viel Arbeit aufbürdet. Doch es wäre so einfach und das Bundesgericht winkt da mit dem Zaunpfahl:

Bei Besitz unter 10 Gramm Cannabis müssten sie gar nichts machen, bei Konsum einer geringfügigen Menge müssten sie nicht einmal eine Ordnungsbusse erteilen. Einfach etwas mehr Augenmass und Konzentration der Kräfte auf die wichtigen Probleme!

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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