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Zur Hanflage: Ideen, Papiere und Begriffe, Sommer 2014

Vor allem die Städte haben mit ihren Ideen zu einem Abgabeversuch die Diskussion belebt, allen voran Genf. Auch Suchtfachleute haben sich geäussert und einen regulierten Markt vorgeschlagen. Offen ist, wie aus den Ideen reale Projekte werden könnten.

Alte und neue Ideen

Im letzten halben Jahr fühlte ich mich in die 90er-Jahre zurückversetzt. Plötzlich reden wieder viele über das Entkriminalisieren und Legalisieren – wie damals… Wie wir wissen, ist aus diesen Diskussionen nicht viel geworden. Die Hanfläden hatten zwar ihren Boom rund um die Jahrtausendwende, aber schliesslich hat die Repression sie wieder zerstört. 2005 kam die Nulltoleranz gegenüber THC im Strassenverkehr und die Ordnungsbussen scheinen einfach eine weitere, zusätzliche Variante der Repression zu werden, statt die Verzeigungszahlen herunterzubringen (siehe Repressionsstatistiken 2013).

Neue Realitäten

Was jedoch wirklich neu ist, ist die internationale Entwicklung. War die Schweiz Ende der 90er-Jahre und Anfang der 00er-Jahre weltweit ganz vorne mit dabei und die Schweizer Hanfläden eine grosse Ausnahme (wenn man von Holland absieht), so gibt es nun in der Schweiz zwar keine Hanfläden mehr, dafür beginnt Uruguay dieses Jahr mit der legalen Grasproduktion und die USA sind immer offener mit Medical Marijuana umgegangen. Und nun ist es in Colorado zu einer teilstaatlichen Legalisierung gekommen: Es gibt dort eine Art Hanfläden, die Bilder sind eindrücklich. Auch in Spanien laufen grosse Cannabis Social Club-Projekte. Und in der Schweiz?

Berghanfbauern

Diese beeindruckende internationale Entwicklung beflügelt auch Schweizer Ideen. So hat Thomas Kessler (ehemaliges Mitglied der eidgenössischen Kommission für Drogenfragen EKDF) sein altes Konzept wieder hervorgeholt: Bergbauern sollen den benötigten Hanf anbauen, staatlich reglementiert und besteuert. Aus Neuenburg meldete sich ein Vertreter der Polizei, Olivier Guéniat, mit einem Vorschlag: Cannabis im Privaten legalisieren, aber in der Öffentlichkeit weiterhin untersagen.

Staatliche Regulierung

Anfang April stellte die Nationale Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik NAS ihre Ideen für einen staatlich regulierten THC-Markt vor. In der NAS sind verschiedene Organisationen zusammengeschlossen, die sich mit Suchtfragen auseinandersetzen. Sie wollen mit ihrem Papier (NAS-Homepage) einen Weg zwischen Verbot und Freigabe finden und haben eine nützliche Tabelle veröffentlicht, die die Bedeutung der verschiedenen verwendeten Begriffe aufzeigt. Diese drucken wir hier etwas vereinfacht ab:

Städte als Vorreiter

Seit bald 10 Jahren gibt es in einigen Städten Diskussionen um einen Abgabeversuch mit Cannabis. Nachdem es um diese Ideen ruhig geworden war, weil sich keine Stadt mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG anlegen wollte, ist nun wieder Bewegung in die Sache gekommen: Mittlerweile befürworten die Parlamente von Zürich, Winterthur, Basel, Genf und Bern einen solchen Versuch und treffen sich an Austauschsitzungen.

In Genf sind die Diskussionen wohl am weitesten gediehen, dort ist ein grosser Teil des politischen Spektrums an neuen Lösungen interessiert. Motivation dafür ist aber nicht, dass man das Unrecht des Verbotes anerkennt, sondern man will hauptsächlich die vorwiegend schwarzen Strassendealer aus der Öffentlichkeit vertreiben. Entsprechend ist die Genfer Vorstellung von Cannabis Social Clubs auch eher paternalistisch: So soll ein Eintrittsgespräch nötig sein, das auch «Massnahmen» nach sich ziehen kann…

Auch wenn es zeitweise aus Genf hiess, man könne sich ein Projekt auch ohne die Zustimmung des BAG vorstellen, will Genf nun doch um eine solche Sonderbewilligung nachfragen. Der entscheidende Beschluss, ob das denn nun getan werden soll, ist aber Ende Mai 2014 beim Genfer Regierungsrat hängig.

Und die Relevanz?

So interessant diese Vorschläge auch sind, es fehlt ihnen an Durchschlagskraft. Denn solange keine Mehrheit gebildet werden kann, die das BetmG entsprechend ändert, bleibt es halt so wie es ist. Für Versuche unter dem geltenden BetmG müssten letztlich die Staatsanwaltschaften und Polizeien grünes Licht geben. Sie müssten eine liberalere Auslegung des BetmG ins Auge fassen (die durchaus möglich wäre). Aber sie wollen weiterhin verfolgen, wie die Statistiken zeigen.

Die Möglichkeiten: Initiative, PR, CSC?

Wir müssen Druck aufbauen, damit aus den Ideen reale Projekte werden und die Repression gegen THC wirklich reduziert wird. Wie ist eigentlich egal, ob Unterschriften sammeln, Öffentlichkeitsarbeit betreiben und/oder Cannabis Social Clubs gründen.

Die Befürchtung

Wenn die Städteprojekte halt doch im Sande verlaufen, weil sie es nicht wagen, gegen das BetmG zu verstossen und die sonstigen Vorschläge halt Ideen bleiben, dann kommt da wieder gar nichts Reales. Deshalb scheint es uns wichtig, dass auch wir Druck erzeugen.

Initiatividee und Petitionen

Im LI 65 haben wir ja eine Umfrage zu einer möglichen neuen Hanf-Initiative durchgeführt. Viele sind interessiert an einer solchen, einige finden es noch zu früh für eine Neuauflage. Inhaltlich kann man sagen: letztlich ist es vielen egal. Hauptsache es geschieht mal endlich etwas Positives in Richtung Legalisierung, auch wenn es dann nur eine teilweise Entkriminalisierung wäre. Leider haben wir die nötigen Grundlagen weder auf der personellen noch auf der finanziellen Ebene gefunden. Doch haben wir einiges durchdacht und sehen ziemlich konkret, wie es ablaufen könnte. Aber eben: Wir bräuchten mehr Helfende und mehr Geld. Deshalb können wir das Projekt Hanf-Initiative jetzt nicht angehen. Vielleicht gelingt es in einem weiteren Anlauf in den nächsten Jahren.

Kleinere Versionen, Petitionen, sind in Zug und Biel am Laufen. Auch wenn diese rechtlich nicht bindend sind, können sie doch etwas Druck erzeugen. Nachdem Zug eine massive Zunahme der Repression zu verzeichnen hatte, lancierte die Junge Alternative von Zug eine Petition, damit Zug ebenfalls an den Abgabeprojekten der Städte mitwirken soll: Hanf-Petition. In Biel läuft etwas Ähnliches, organisiert von den Juso: Cannabispetition. Diese Petition wurde am 19. Mai 2014 bei der Stadt Biel eingereicht.

PR für den Hanf

Medienarbeit kann man natürlich immer betreiben und wir tun da auch, was möglich ist. Doch sind die JournalistInnen halt nicht per se auf unserer Seite und ihr Wissen ist grösstenteils beängstigend klein. Ausserdem können sich THC-Konsumierende nicht wirklich in die Diskussionen einbringen – auch der Konsum ist halt illegal, wer sich dazu bekennt, gibt strafbare Handlungen zu. Das macht PR-Arbeit schwierig.

Cannabis Social Clubs CSC

Man könnte auch einfach anfangen, Modelle in der Realität auszuprobieren, ohne auf das BAG oder die Städte zu warten. Es wird ja eh schon gekifft, produziert und verkauft. Eine Idee dazu ist, dass sich Konsumierende in Vereinen zusammenschliessen, um gemeinsam Hanf anzubauen. Dabei gibt es ein grosses Problem: Die Weitergabe (und somit auch der Verkauf) von THC-haltigem Material ist ein Vergehen, hier sind umfassende Repressionsmassnahmen und hohe Strafen möglich (Untersuchungshaft, Hausdurchsuchung etc.). Bei einem solchen Projekt riskieren die leitenden Personen (z. B. der Vereinsvorstand) ziemlich viel. Wie könnte ein CSC aussehen, in dem keine Vergehen begangen werden?

Wenn alle ihre Hanfpflanzen selber setzen und trocknen und somit jede Pflanze einem konkreten Konsumierenden zugeordnet werden kann, geschieht eigentlich keine Weitergabe. Wer die Pflanzen giesst und ihnen schaut, betreibt Beihilfe zu einer Übertretung einer anderen Person, das wäre straffrei… Der Anbau (und Konsum) der Mitglieder kann zwar als Übertretung bestraft werden, aber das ist einiges weniger illegal als die Weitergabe und gibt als Strafe keine Geldstrafe und keinen Strafregistereintrag, sondern eine Busse. Ausserdem gibt es auch keinen Gewinn, den der Staat dann wieder einziehen könnte.

Die Person, die für die Pflanzen schaut und den Club in Schuss hält, würde am besten durch die Mitgliederbeiträge entschädigt. Diese müssten auch die Kosten fürs Material und den Strom (wenn innen angebaut wird) sowie für die Miete decken.

Ein solches Modell könnte von den Strafbehörden geduldet werden. Es sind ja nur Übertretungen, die begangen werden, es findet keine Bereicherung, ja überhaupt kein Handel statt. Weitere Bedingungen dafür wären, dass nur erwachsene, in der Schweiz wohnhafte Personen am Projekt teilnehmen, keine Werbung betrieben wird und die Clubgrösse beschränkt ist.

Doch vielleicht gibt es trotzdem eine Razzia und die Strafverfolgungsbehörden eröffnen ein Verfahren. Dann kämen die von Anfang an schriftlich niedergelegten Aussagen der Konsumierenden zum Tragen: Dass sie für ihren Eigenbedarf Hanf anbauen. Das müsste dann mit einer Busse bestraft werden. Allerdings wird die Polizei ihre Erkenntnisse auch den Strassenverkehrsämtern mitteilen – Personen mit einem Führerausweis müssten dann um diesen bangen. Es ist also durchaus mit Risiken verbunden, einen solchen CSC zu gründen und zu betreiben. Doch wären die Risiken einigermassen überschaubar und eben: Er könnte von den Behörden am ehesten geduldet werden.

Dabei muss man sehen: Was die Städte dazu sagen oder Suchtexperten ist nur bedingt relevant. Letztlich kommt es darauf an, ob die Staatsanwaltschaften eine gewisse Toleranz entwickeln können und solche Projekte laufen lassen, solange es keine Gewinne gibt, keine Minderjährigen beteiligt sind, die Nachbarschaft und die Öffentlichkeit nicht gestört werden und die Mitglieder keine speziellen Probleme verursachen. Klar ist auch: Je mehr solche Clubs es gäbe, desto grösser würde der Druck, eine solche Entkriminalisierung zuzulassen.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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