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Cannabis-Studie Teil 2

Nachdem die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) im Februar ihre Cannabis-Studie veröffentlicht hat und im Legalize It! 18 über diverse Ergebnisse schon berichtet wurde, geht es im folgenden vor allem um die Erfahrungen mit und Meinung über den Konsum von Cannabis.

Zahlen und Meinungen

Auch die Massenmedien haben in den letzten Monaten die eine oder andere Zahl aus dieser Studie veröffentlicht, wenn es darum ging, die Gruppe der Kiffenden zu umschreiben. Die nackten Zahlen sind da halt immer noch das, was am einfachsten und schnellsten zur Hand ist. So wurden die vordergründig wichtigsten Fragen vorerst einmal beantwortet. Ich glaube allerdings, dass sich an Cannabis Interessierte durchaus auch eingehender mit ihrem Genussmittel auseinandersetzen wollen – entgegen gewisser Vorurteile. So scheint auch eine eher auf Meinungen als auf Zahlenmengen fokussierte Betrachtung interessant. Welche Erfahrungen haben Cannabiskonsumierende gemacht und welche Meinungen haben sie untereinander und mit Nichtkonsumenten gemeinsam oder eben nicht?

Gebrauch vs. Missbrauch

Wenn es um den Konsum von Cannabis geht, stellen nicht nur besorgte Eltern und Lehrpersonen oft die Frage nach den Gefahren eines Missbrauchs, der zu Schlimmerem führen könnte. Wie das mit den illegalisierten Cannabisprodukten nun aber einmal so ist, wird schon per Gesetz jeder Konsum zum Missbrauch. So kann aus der gesundheitlich-präventiven Sichtweise auch immer nur ein Teil der ganzen Situation beurteilt werden. So empfinde ich die Unterteilung in legale und illegale Drogen – gerade bei Cannabis – für alle Beteiligten als Behinderung, wenn es um das Lösen von Problemen geht. Aber auch aus «rein» gesundheitlicher Sicht ist es schwierig, Aussagen über die Wirkung von Cannabis und THC im Speziellen zu machen, da dies bekanntlich alles sehr individuell ist.

So wird auch im Text der SFA ausgeführt, dass keine Einigkeit darüber bestehe, welche Form und welche Häufigkeit des Cannabiskonsums als missbräuchlich zu bezeichnen ist (täglicher Konsum wird als «problematisch» bezeichnet). Es werden internationale Studien erwähnt – die Roque Studie (F) und die Kleiber Studie (D) – «die belegen, dass die gesundheitliche Gefährdung durch Cannabiskonsum als gering und die Toxizität von Cannabis kleiner als beispielsweise jene von Alkohol einzustufen ist».

Es wird allerdings auch von einer ansteigenden Zahl Jugendlicher berichtet, die schon mal Cannabis probiert hätten. Der Anteil an «potentiell Missbrauchenden» (also täglich Rauchenden) sei aber nicht in demselben Ausmass angestiegen. So scheint die sogenannte Aufhörrate – der Anteil an «Aussteigern», die mit der Zeit das Kiffen sein lassen – immer noch beträchtlich zu sein: Während mehr als 15% der 15- bis 19-Jährigen (mit Cannabiserfahrung) mindestens täglich konsumieren, sind es bei den 20- bis 24-Jährigen nur knapp 10% und bei den 25- bis 44-Jährigen noch gut 5%. Für die SFA steht nämlich ausser Frage, dass «tägliches Kiffen sich für die psychosoziale Entwicklung vor allem von Adoleszenten (Jugendlichen; Anmerkung des Redaktors) ungünstig auswirkt.»

Es zeigt sich also recht klar, dass aus gesundheitlicher Sicht die (jungen) Jugendlichen die wichtigste Zielgruppe sind. Diese jungen Menschen gilt es möglichst gut zu informieren, damit sie wissen, womit sie es bei Cannabis zu tun haben – und was eher Schauermärchen sind. Die Bestrebungen nicht nur dieser Fachleute gehen auch dahin, dass nicht allzu früh mit dem Genuss von Cannabis begonnen wird und dieser dann besser nicht täglich praktiziert wird. Auch wenn einem diese Ziele einleuchten, ist zu vermuten, dass die Repression und ihre Folgen die Arbeit im Bereich Prävention wiederum massiv erschweren.

Alter des ersten Konsums

«Wann hast du deinen ersten Joint geraucht?» Diese Frage ist sicher schon in vielen Gesprächen – und nicht nur in sog. «Kifferrunden» – aufgetaucht. Die meisten könnten sicher lange Geschichten darüber erzählen, wie es «das erste Mal» war: Welche Personen beteiligt waren und die genaue Umgebung, in der sich dies ereignet hat.

Die Schätzung des durchschnittlichen Alters beim Erstkonsum ist laut SFA-Text schwierig, noch mehr also die Verschiebung dieses Alters über die Zeit. Neuere Berechnungen hätten ergeben, «dass das Alter des Einstiegkonsums in den letzten Jahren um rund Dreiviertel Jahr gesunken ist und zwischen 15 und 16 Jahren anzusetzen ist.» Fast 60% der befragten 15- bis 19-Jährigen legten ihren ersten Cannabiskonsum vor das 15. Altersjahr, bei den 20- bis 24-Jährigen liegt der entsprechende Anteil bei noch etwas über einem Viertel.

Häsch Problem?

Für die Verfasser der Studie ist unmittelbar einsichtig, dass der Konsum von Cannabis Probleme mit sich bringen kann. Laut Studie haben ein Fünftel der jüngeren Befragten mit Cannabiserfahrung auch Probleme wahrgenommen.

Es wird auch auf die Tatsache hingewiesen, dass nicht nur psychische und physische Probleme wahrgenommen würden, sondern den Befragten auch soziale Schwierigkeiten aufgefallen sind. Allerdings – und da bin ich wirklich dankbar – wird sofort nachgeschoben, dass dies keine Folge der Wirkung von THC sei, sondern vielmehr eine Konsequenz des illegalen Status von Cannabisprodukten. Dies könne auch eine Erklärung dafür sein, dass in der französischen Schweiz mehr Probleme wahrgenommen werden (D-CH: 10,3%, F-CH: 21,6% und I-CH: 10,3%).

Der markante Unterschied zwischen den Jungen und Älteren wird im Text darauf zurückgeführt, dass «die unangenehmen Seiten des Konsums nach einer Weile von Jahren verblassen.» Diese Erklärung empfinde ich allerdings als minimalistisch. Ich würde sagen, dass auch Konsumenten von Cannabis sich ein persönliches Muster von Normen und Regeln zurechtlegen, eine Kultur also, die den Umgang mit dem Genussmittel «regelt» – und zwar so, dass dieser nicht als problematisch empfunden wird. Zweitens sind Kiffende höheren Alters nicht mehr so «unter Beobachtung» wie Schüler, deren Cannabiskonsum aufgefallen ist und die bestraft werden. Am ehesten dürften schon die Jungen ihren Cannabiskonsum als Reibungsfläche zwischen Jugendwelt und der Gesellschaft der Erwachsenen empfinden. Vielleicht sind es in späteren Lebensjahren ja dann die körperlichen und psychischen Probleme, die jene mit Eltern, Lehrer und der Polizei abzulösen beginnen?

Was bringt das Kiffen?

Warum kiffen denn die Leute eigentlich? Eine interessante und doch so schwierig zu beantwortende Frage. Da es aber doch eine gewaltige Menge an Menschen zu geben scheint, denen der Konsum von Cannabisprodukten etwas bringt, wird auch im Text zur Studie auf die sozialpolitische Bedeutung von Drogen im allgemeinen hingewiesen. «Sie provozieren nicht nur Rausch und Ekstase, versprechen neue Gefühle und künstliche Paradiese, sondern sie helfen überdies Frust und Leiden zu verdrängen und sind gar als Heilmittel einsetzbar. Was für Drogen allgemein gilt, trifft auch auf Cannabis zu.»

Schnell zeigt sich, dass Nichtkonsumierende den rekreativen Aspekt des Kiffens (Freizeitvergnügen und gegen Alltagsstress) nicht gut nachvollziehen können; dass Cannabis gar als Heilmittel eingesetzt wird, können sich auch nur wenige vorstellen. Die meisten aktuell Konsumierenden empfinden wiederum Cannabis nicht als «Protestdroge». Dieses Image aus rebellischeren Jahren haftet Hasch und Gras immer noch an, obwohl man nach Jahrzehnten ansteigender Repression auch eine neue Kategorie schaffen könnte – den der «Märtyrerdroge» Cannabis.

Welche Folgen hat das Kiffen?

Die dem Cannabiskonsum zugeschriebenen Konsequenzen wurden für die Befragung in drei unabhängige Dimensionen eingeteilt: Einen positiven Erfahrungsaspekt (Grafik 4a), einen negativen Erfahrungsaspekt (Grafik 4b) und einen Leistungsaspekt (Grafik 4c).

Ähnlich wie beim Gebrauchswert von Cannabis, können auch hier Nichtkonsumierende z.B. die Steigerung der Kreativität durch Cannabiskonsum nicht nachempfinden. Auf der Negativseite taucht auch der ewige Mythos von Cannabis als Einstiegsdroge wieder auf. Die Diskussionen über dieses Thema sind endlos – die Ergebnisse der Studie in dieser Frage sind da erfrischend klar.

Werden die Ergebnisse nicht nach Cannabiserfahrung, sondern nach Alter ausgewertet und beziehen sich somit auf die Gesamtstichprobe, so zeigt sich, dass die Jungen dem Cannabiskonsum deutlich positivere Folgen zuordnen als ältere Personen. Die negativen Aspekte werden von den Jüngeren allerdings umgekehrt nicht ignoriert. Die Folgen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit nehmen die Jungen gar kritischer wahr, was die SFA darauf schliessen lässt, dass die jungen Konsumierenden wahrscheinlich besser informiert seien und dies nicht zuletzt wegen der aufklärenden Drogenprävention.

... einen hab ich noch

In zwei Artikeln haben nun doch zahlreiche Ergebnisse dieser Cannabis-Studie im Legalize it! Platz gefunden. In einem weiteren (und letzten) Artikel werden dann das Image der Kiffenden und cannabis-politische Meinungen der Befragten behandelt. Bis dahin treffen hoffentlich auch noch neue Fakten aus dem Bundeshaus über die politischen Vorgänge ein – warten wir es einmal mehr ab.

Quelle: «Cannabis auf der Schwelle zum legalen Rauschmittel: eine Repräsentativstudie zum Phänomen „Cannabis“ : Konsum, Einstellungen, Politik» von Richard Müller, Hermann Fahrenkrug, Sandra Müller. SFA, Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme, 2001. (books.google.ch - PDF)

Zum dritten und letzten Artikel

Zuletzt geändert: 2019/05/07 15:23

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