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Kiffen einfach so aus Spass an der Sache ist verboten. Das ist eine grosse Ungerechtigkeit. Wer aber THC aufnimmt, um seine Beschwerden zu lindern, macht sich ebenfalls strafbar. Das ist eine unglaubliche Schweinerei.
Hanf ist ein uraltes Heilmittel – lange bevor die Pharmaindustrie entstanden ist, wurden mit THC-haltigem Hanf verschiedene Leiden bekämpft. So kann man ihn zur Schmerzlinderung einsetzen, als Schlafmittel brauchen, als Entspannungsmittel verwenden (sowohl gegen Muskelverspannungen wie auch gegen psychische Verspannungen). Auch heute wird Cannabis von vielen Kranken verwendet, obschon die Verwendung illegal ist (siehe Kasten). Wir beschreiben hier anhand der Krankheit Multiple Sklerose, wie das geschieht und was für Probleme dabei aufkommen.
Multiple Sklerose (MS) ist eine bis heute unheilbare Krankheit, die die Funktion der Nervenzellen stört. Das körpereigene Immunsystem greift die Ummantelung der Nervenzellen an und zersetzt sie allmählich. Dadurch wird die Signalübertragung vom Gehirn in die Arme und Beine, aber auch die Sinneswahrnehmungen (Sehen, Schmecken etc.) gestört. Häufige Symptome der Krankheit sind: Man sieht doppelt oder eingeschränkt, man entwickelt merkwürdige Gefühle in den Armen und Beinen (Kribbeln, Taubheit, Brennen, Stechen), es wird einem häufig schwindelig.
Die Erkrankung beginnt zum Beispiel mit Zittern, geht weiter mit allgemeiner Koordinationsschwäche, so dass man etwa nicht mehr ohne Stock laufen kann. In weiter fortgeschrittenen Phasen brauchen die Betroffenen Krücken, schliesslich benötigen viele einen Rollstuhl.
Meist beginnt die Krankheit langsam und verschlimmert sich entweder fortlaufend oder in Schüben, die jeweils eine neue Stufe der Erkrankung auslösen. Es sind etwa 10’000 Personen in der Schweiz von dieser Krankheit betroffen.
Die meisten Patienten erhalten Betaferon. Dies müssen sie sich spritzen, meistens alle zwei Tage. Es ermöglicht jedoch keine Heilung, sondern lediglich eine gewisse Eingrenzung der Krankheit. Es kann bewirken, dass die Schädigungen der Nervenzellen langsamer vonstatten gehen, dass die Krankheitsschübe weniger häufig auftreten oder die Schübe weniger stark sind. Allerdings sind die möglichen Nebenwirkungen massiv: Migräne, grippenähnliche Symptome wie Schüttelfrost, Schwitzen, Muskelschmerzen, Fieber, Wallungen. Oder auch Depressionen und Angstgefühle. Deshalb müssen viele Patientinnen und Patienten dieses Mittel wieder aufgeben.
Die meisten MS-Kranken haben vor ihrer Erkrankung nicht gekifft. Doch mit der Erkrankung merken viele, dass Hanf ihnen hilft: «Wenn ich Augenprobleme habe, rauche ich manchmal. Ich habe gemerkt, dass es mir hilft», meint D. in der diesem Artikel zu Grunde liegenden Arbeit.* Oder C. meint: «Jetzt behandle ich mich mit Hanf», nachdem auch er das Betaferon absetzen musste. «Der Hanf nimmt mir ein bisschen das Zittern. Aber auch wenn ich Krämpfe habe, lindert er diese. Ich muss sagen, das Betaferon hat mehr Nebenwirkungen, als der Hanf sie hat.» Den Hanf hat er schon vor seiner Krankheit gekannt: «Ich habe immer schon zwischendurch eine geraucht, das heisst nicht, dass ich den ganzen Tag zugedröhnt war. Ich habe gemerkt, dass es mir wirklich hilft. Wenn ich einmal alle Zutaten für einen Hanflikör habe, dann höre ich auf zu kiffen (rauchen).»
Und P. findet: «Cannabis ermöglicht trotz schwerer Erkrankung ein Stück Lebensqualität.» Auch in den vielen Selbsthilfegruppen, die es zum Thema MS gibt, wird über Cannabis häufig gesprochen. So sagt V., Präsidentin einer solchen MS-Gruppe: «Auch der Hanf ist ein grosses Thema.»
Die Berner Höhenklinik Montana ist auf MS-Fälle spezialisiert. Jährlich kommen rund 400 Patienten, welche an MS leiden. Das Hauptziel der Rehabilitationsaufenthalte ist die Verbesserung der Selbständigkeit und Lebensqualität der MS-Betroffenen, da eine Heilung bis heute unmöglich ist. Claude Vaney, Chefarzt der Klinik, wurde auch zum Hanf befragt: «Mit Hanf haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.» An der Klinik Montana führte ein Ärzteteam die schweizerische Cannabis-Studie durch. Dabei erhielten MS-Betroffene, die an Muskelspasmen (also sehr starken Muskelverspannungen) litten und diese trotz ihrer (schulmedizinischen) Medikamente nicht in den Griff bekommen konnten zunächst einige Tage ein Placebo (also ein Scheinmedikament), anschliessend dann Cannabisextrakte. Die Patientinnen und Patienten wurden durch diese Behandlung mobiler, konnten sich also wieder besser bewegen. Die Spasmen traten weniger häufig auf. Cannabis kann helfen, die Muskelkrämpfe, unter denen viele MS-Betroffene leiden, zu lindern. Es behebt damit nicht die Krankheit, aber es ist eine Möglichkeit, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.
Viele rauchen Joints. Dies ist natürlich nicht gerade gesund, weil Rauch immer (auch wenn Cannabis pur ohne Tabak geraucht wird) viele sehr schädliche Stoffe aufweist. Andere machen Tee oder Guetzli mit Hanf. Eine weitere Möglichkeit ist das Inhalieren mit Hilfe von Verdampfungsmaschinen. Viele Betroffene haben jedoch Angst, Cannabis zu konsumieren: All die Räubergeschichten übers Kiffen verängstigen die Betroffenen. Und dann gibt es natürlich auch beim Cannabis eine grosse Nebenwirkung: Es fährt ein. Im Verhältnis zu vielen anderen, zugelassenen Medikamenten mit ihren zum Teil grotesken Nebenwirkungen ist das natürlich eine geringe Nebenwirkung – vielen gefällt sie sogar (genauso wie denjenigen Kiffenden, die aus purer Lust an eben diesem Gefühl THC konsumieren). Dieses Einfahren macht einigen Betroffenen Angst. Doch viele lernen den Hanf im Verlaufe ihrer Krankheit schätzen: Als eines der wenigen Mittel, die ihnen helfen können.
Kein Arzt hat das Recht, THC-haltige Produkte abzugeben. Deshalb kann ein Arzt einem Patienten lediglich sagen, er habe von vielen MS-Kranken gehört, dass es ihnen hilft. Aber die Betroffenen müssen selber auf die Suche nach dem Stoff gehen, sie müssen selber die richtige Dosierung für sich finden, sie müssen selber die Risiken des Schwarzmarktes auf sich nehmen. Dabei stellt natürlich die sichere Versorgung mit qualitativ hochstehendem und gleich starkem Hanf ein grosses Problem dar: Im illegalen Markt können solche Eigenschaften, die in allen anderen Märkten ja selbstverständlich sind, einfach nicht gefunden werden. Wir haben jedenfalls immer wieder Kranke, die beim Legalize it! anrufen, und fragen, wie sie denn zu THC-haltigen Produkten gelangen könnten. Es sind sehr schwierige Telefone – denn ich kann ja auch niemandem eine sichere Quelle mitteilen. Aber das Leiden dieser Menschen zu hören ist wirklich eine Belastung.
So sagt M.: «Es darf doch nicht sein, dass Menschen, die in ihrer Not auf Cannabis angewiesen sind, durch die Gesetzgebung in die kriminelle Ecke gestellt werden.» Es darf nicht sein. Aber es ist so!
* Selbständige Vertiefungsarbeit «Leben mit MS» von Andrea L. und Barbara F. Diese Arbeit haben sie in ihrem dritten Lehrjahr geschrieben. Wir danken herzlich für die Zur-Verfügung-Stellung!
Wenn jemand erwischt wird, der Cannabis aus medizinischen Gründen konsumiert, so kann auch eine solche Person dafür verzeigt und gebüsst werden. Es kann sein, dass ein Gericht eine schwer kranke Person nicht wegen ihres THC-Konsums bestrafen mag; der Richter kann in einem solchen Fall das Verfahren einstellen, eine Verwarnung aussprechen. Dies passiert auch gelegentlich. Dabei bleibt jedoch das gefundene Haschisch oder Gras eingezogen und wird vernichtet. Es können auch die Verfahrenskosten der betroffenen Person auferlegt werden, was auch ohne Busse schnell einmal ein paar hundert Franken ausmachen kann.
Das Bundesgericht hat zum Beispiel in einem Fall entschieden, dass eine Frau, die vorgab, aus gesundheitlichen Gründen Cannabis zu konsumieren, zu bestrafen sei: Die gefundenen Produkte wiesen einen hohen Gehalt an THC auf (mehrere Prozent), ausserdem habe die Angeklagte erklärt, dass diese Produkte, wenn sie sie konsumiere, eine beruhigende und euphorisierende Wirkung hätten. Damit sind solche Produkte eben Betäubungsmittel und sind verboten.
Nebenbei erwähnte das Bundesgericht auch, dass ein Arzt, der einem Patienten THC-haltige Produkte verschreibt oder empfiehlt, sich ebenfalls eines Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig macht – denn auch die Aufforderung an jemanden, er solle Cannabis konsumieren, ist strafbar. Auch wenn dies durch einen Arzt geschieht.
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