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THC-Genuss soll kein Menschenrecht sein

Das Bundesgericht hat in einem interessanten Entscheid alle heute gültigen Grundlagen für den Umgang mit THC-Konsum festgehalten. Leider will es seinen Spielraum nicht ausnützen und hält an einer restriktiven Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes fest.

Der Fall

Zu beurteilen hatte das Bundesgericht einen Fall, bei dem ein Jugendlicher mit 3.8 Gramm Gras erwischt worden war. In der Vernehmung hatte er zugegeben, dass er zwischen einem Gramm pro Monat bis zu einem Gramm pro Woche konsumiere. Als Strafe hatte der Jugendliche einen Verweis erhalten.

Das Verbot, THC-Produkte zu konsumieren, verstosse gegen die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK, speziell gegen Artikel 8 (Achtung des Privatlebens) und gegen Artikel 14 (Diskriminierungsverbot), meinte der Anwalt des Jugendlichen in seiner Beschwerde.

Konkret hatte das Bundesgericht also zu entscheiden, ob die Bestrafung des THC-Konsums mit der EMRK zu vereinbaren ist – oder eben nicht.

Zur geltenden rechtlichen Situation

Das Bundesgericht fasst in seinem Urteil nochmals die geltende rechtliche Situation zusammen: Grundsätzlich ist der Konsum von THC-Produkten strafbar. In leichten Fällen kann zwar von einer Strafe abgesehen werden. Doch der leichte Fall ist etwas, das der Richter völlig frei annehmen kann – oder eben praktisch immer nicht annimmt. Das Bundesgericht will hier der ersten Instanz nicht dreinreden und belässt ihr eine grosse Freiheit. Allerdings: Sobald es sich jedoch um einen «regelmässigen» Konsum handelt und der Betroffene keine Anstalten zeigt, den Konsum einzustellen, ist ein leichter Fall niemals gegeben. Dabei scheint es egal zu sein, wie viel oder wenig jemand konsumiert.

Dann relativiert das Bundesgericht auch die Bundesverfassung. Aus dieser lässt sich ja einfach herleiten, dass der Genuss von THC-Produkten zwingend frei sein muss (siehe dazu den Artikel im Legalize it! 29, Seiten 14 bis 19). Doch das Bundesgericht ist der Meinung, dass die Richter nur an die geltenden Gesetze gebunden seien. Selbst wenn sie ein Bundesgesetz für verfassungswidrig erachten würden, könnten sie nicht davon abweichen. Diese Meinung degradiert nun die Bundesverfassung, immerhin die Grundlage unseres Staatswesens, zu einem Haufen Altpapier. Denn was nützen die dort definierten Grundrechte und sonstigen Artikel, wenn sie für das Bundesgericht nicht bindend sein sollen?

Die Beurteilung der EMRK

Doch immerhin: Die EMRK ist für das Bundesgericht genau wie die Bundesgesetze ein zu beachtendes Stück Recht. Zunächst beschäftigt es sich deshalb mit der freien Gestaltung des Privatlebens (Artikel 8). Konkret meint dieses Recht dreierlei:

  • Selbstbestimmungsrecht über den Körper
  • Schutz der Privatsphäre
  • Freie Gestaltung der Lebensführung

Das Bundesgericht sieht höchstens die freie Gestaltung der Lebensführung bedroht. Doch damit sei nicht eine allgemeine Handlungsfreiheit gemeint, sondern nur eine auf die wesentlichen Punkte reduzierte Handlungsfreiheit.

THC-Konsum – (un)wichtig?

Jetzt folgt der wesentliche Schluss des Bundesgerichts: Es fällt ihm schwer, den Betäubungsmittelkonsum als elementare Erscheinungsform der Persönlichkeitsentfaltung zu sehen.

Da braucht unser Bundesgericht wohl etwas Nachhilfeunterricht. Der Konsum von bewusstseinsverändernden Substanzen ist offensichtlich ein wesentlicher Teil des Menschseins: Seit Jahrtausenden werden THC-Produkte konsumiert, sei es als Heil- oder als Genussmittel. Diese Produkte sind sehr bewährt als Mittel gegen viele Leiden und ebenso bewährt als Mittel, um sein Leben farbiger und angenehmer zu gestalten. Hier käme auch das Selbstbestimmungsrecht über den Körper ins Spiel (ein Element, das vom Bundesgericht gar nicht diskutiert wurde). Denn wie es meinem Körper geht, das hat sehr direkt mit der Einnahme von psychoaktiven Substanzen zu tun!

Doch für das Bundesgericht ist der Konsum von THC-Produkten eben nichts wirklich Wichtiges – deshalb werde er auch nicht durch die EMRK geschützt. Somit nützt es nichts, sich auf das Diskriminierungsverbot (Artikel 14) zu berufen: Dieses verbietet ja nur Diskriminierungen bezüglich der wirklich wichtigen Menschenrechte. Und dazu gehört für das Bundesgericht der Konsum von Hasch oder Gras nicht. Deshalb nützt der Verweis auf die Ungleichbehandlung von Alkohol und THC nichts: Es ist eben nichts Wichtiges, und damit basta. Zum Schluss weist das Bundesgericht darauf hin, es sei eben kein juristischer Entscheid, ob THC konsumiert werden darf oder nicht. Es sei ausschliesslich ein politischer Entscheid.

Eine solche Haltung ist äusserst mutlos. THC-Konsum ist eine private Angelegenheit. Sie muss genau so wie die religiöse Haltung oder die sexuelle Orientierung alleine im Entscheidungsbereich des Individuums liegen. Es ist also eine Privatangelegenheit, bei der weder der Gesetzgeber (und auch nicht eine Mehrheit des Volkes), noch die Gerichte etwas zu sagen haben.

Totalverbot nein, Einschränkungen ja

Das bedeutet nicht, dass wir überall und immer THC konsumieren dürfen wollen – die Freiheit beschränkt sich natürlich dort, wo sie die Freiheit der anderen beeinträchtigt. So darf eine Gesellschaft den Konsum in der Öffentlichkeit untersagen, oder bei einer Belästigung anderer durch Rauch einschreiten. Das erachten wir durchaus als zulässig. Doch wer daheim konsumiert oder an (privaten) Orten, wo sich THC-Geniessende treffen und dabei niemanden belästigt: Dieser Bereich muss als Privatsphäre geschützt werden. Das geht nur die Betroffenen etwas an, sonst niemanden.

Leider teilt das Bundesgericht diese Meinung nicht. Würde es das jedoch tun, könnte das geltende Betäubungsmittelgesetz ohne Schwierigkeiten so ausgelegt werden, dass der persönliche Umgang mit THC-Produkten als straffrei gilt. Die gesetzlichen Begriffe «leichter Fall» und «geringfügige Menge» wären der Schlüssel dazu.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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