Die Schweiz diskutiert und hinkt hinterher

Während bei uns vielleicht 2’000 Personen an den Cannabis-Abgabeversuchen teilnehmen dürfen, ist das Kiffen in den USA teilstaatlich legal. Auch wenn immer mehr für eine Legalisierung sind: Wir sollten aufpassen, dass der persönliche Umgang wirklich frei wird.

Cannabisabgabe per Los?

Die Städte wollen im Sommer 2016 eine Bewilligung für die Ab­gabeversuche einholen (NZZ vom 5.2.2016, SRF vom 12.2. 2016). Allerdings wird die Grössenordnung nun deutlich kleiner sein als ursprünglich angedacht. Nur 2’000 Versuchspersonen sollen mit Cannabis beglückt werden. So wird die Hauptfrage, ob und wie man damit den Schwarzmarkt austrocknen könnte, nicht wirklich beantwortet werden können.

Auch wenn einige immer noch von Vereinslokalen oder Clubs reden, sieht es nun halt mehr nach der Teilnahme an einem gewöhnlichen wissenschaftlichen Versuch aus, nicht nach schönen «Can­nabis Social Clubs»…

Die Details werden nun erarbeitet. Falls das BAG die Versuche bewilligt, könnten sie vielleicht 2016/2017 starten. Als Dauer sind vier Jahre vorgesehen. Alle anderen Konsumierenden werden weiterhin verfolgt. Diese Abgaben sind also höchstens ein Tropfen auf den heissen Stein.

Dabei sind konkrete Legalisierungen anzuschauen: Einige Bun­desstaaten der USA haben eine funktionierende, grossflächige Cannabisproduktion und -verteilung aufgebaut – sei es klar für den Genuss-Konsum, sei es für strenger oder lockerer gehandhabtes «Medical Marijuana». 2016 stehen zehn weitere Abstimmungen in Bundesstaaten der USA an.

Aber vielleicht braucht es in der Schweiz halt einfach kleinste Schrittchen, damit überhaupt eine Bewegung stattfindet. Doch 2’000 Leute, vielleicht noch per Los bestimmt, für vier Jahre mit Cannabis zu versorgen (und dann ist das Projekt beendet) – eine Lösung ist das nicht.

«Zentrale Aspekte der Cannabisregulierung»

So titelt ein Papier, das von der «Nationalen Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik» NAS zusammen mit der «Konferenz der kantonalen Beauftragten für Suchtfragen» KKBS und der «Städtischen Konferenz der Beauftragten für Suchtfragen» geschrieben wurde (Juli 2015). Himmel, diese Namen…

Gleich am Anfang unterschätzt der Text die Cannabis-Verfolgung massiv. So heisst es: «…wird in der Schweiz der Konsum einer geringfügigen Menge von Cannabis (max. 10 Gramm) durch erwachsene Personen mit einer Ordnungsbusse von 100 Fr. bestraft. Cannabis bleibt somit verboten, aber eine Strafverfolgung wird, ausser in Ausnahmefällen, nicht aufgenommen.»

Das ist leider mehr Wunsch als Realität. Auch wenn mittlerweile 15’000 Ordnungsbussen erteilt werden, so werden nach wie vor 35’000 Personen pro Jahr wegen ihres Cannabiskonsums verzeigt (also doch ein Strafverfahren – und nicht nur in Ausnahmefällen). Dazu kommt eine kantonal unterschiedliche (Nicht-) Anwendung der Ordnungsbussen. Zudem hat die Hanfsamenverfolgung klar gezeigt: Die Repression ist nach wie vor massiv. Sonst sind die Ausführungen ok und nachvollziehbar: Die Umsetzung der repressiven Politik ist nicht gelungen, der Schwarzmarkt kann polizeilich nicht ausgetrocknet werden, die meisten Konsumierenden haben einen unproblematischen Konsum und so weiter. Ja, das wissen wir.

Dann folgt ihr Wunschziel – eine Grafik, die ihr Ideal zusammenfasst. Die Cannabisgesetzgebung sollte vom totalen Verbot über die Schadensminderung/Entkriminalisierung in Richtung einer strengen gesetzlichen Regulierung verändert werden und gleichzeitig sollte die Alkohol- und Tabakgesetzgebung vom Status der heutigen relativ freien kommerziellen Vermarktung über eine leichte Marktregulierung ebenfalls in Richtung der strengen gesetzlichen Regulierung angepasst werden. Die Theorie dahinter: Eine strenge gesetzliche Regulierung soll zu einem minimalen Schaden für die Gesellschaft führen (während ein unregulierter Schwarzmarkt oder ein freier legaler Markt jeweils ein Maximum an Schaden verursachen sollen).

Doch sind das die einzigen Möglichkeiten? Strenge Regulierung bedarf vieler Vorschriften, die dann wieder überwacht und bezahlt werden müssen. Ob das Sinn macht und verhältnismässig ist, scheint zweifelhaft. Immerhin wird ein nichtkommerzielles Vereinsmodell für Produktion und Vertrieb von Cannabisprodukten positiv bewertet.

Aber das legale Besitzen von ein paar Pflanzen für den eigenen Bedarf – also eine selbstverantwortliche, freiheitliche Variante – kommt nicht vor. Wir sollten diesen Aspekt immer in die Debatte einbringen: Erwachsene müssen das Recht erhalten, ihren persönlichen Cannabisbedarf selber frei zu produzieren und sich so selber versorgen zu können.

Den ganzen Bereich des Handels kann man wirklich sehr unterschiedlich gestalten, mit weniger staatlicher Bevormundung und Steuerbelastung oder mehr. Deshalb sollte die Freiheit des persönlichen Umgangs nie vergessen gehen. Sie wäre das einzige Pfand der THC-Geniessenden – sowohl gegen einen bevormundenden Staat («jedem Kiffer seinen Sozialarbeiter») wie auch ge­gen einen streng regulierten Markt (der bald in den Händen weniger Spezialfirmen liegen könnte).

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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