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thc_recht:li820205 [2023/12/22 21:16] (aktuell) – angelegt - Externe Bearbeitung 127.0.0.1
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 +====== USA/Kanada: Legal kiffen in den Ferien ======
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 +===== Seattle/USA, 11. September 2018 =====
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 +Kein Witz, gerade jetzt als ich diese Zeilen schreibe, ist es 4:20 Uhr Schweizer Zeit. Neben mir liegt eine Tafel schwarze Schokolade, garantiert frei von genmanipulierten Inhaltsstoffen, die 10 Milligramm THC und 10 Milligramm CBD enthält. Gekauft habe ich das Produkt ganz legal für 7 Dollar in einer Dispensary im Herzen Seattles. Unter Dispensary ist dann auch ein Cannabis-Fachgeschäft zu verstehen, ähnlich unserer Hanfshops, die THC-haltige Produkte verkaufen dürfen.
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 +Eigentlich wollte ich es ja vermeiden, in nächster Zeit die Vereinigten Staaten zu besuchen, doch als meine Partnerin geschäftlich nach Seattle musste, bot es sich uns an, günstige Ferien in Kanada anzuhängen. Zum Zeitpunkt der Reise wird in Kanada erst in einem Monat legalisiert. Der Zwischenstopp in Seattle liess mich jedoch kurz miterleben, wie es sich anfühlt, legal zu kiffen. Wie es in Kanada aussehen wird, weiss ich noch nicht. Einmal angekommen, bemerkt man auffällig wenig vom Cannabis-Boom. Es herrscht ein striktes Werbeverbot. Wer wissen will, wo die nächste Dispensary liegt, muss im Internet recherchieren. So erklärt es sich auch, weshalb Kartenapps wie Leafly oder Weedmaps so erfolgreich sind. Es ist schlicht die einzige Möglichkeit, Kundinnen und Kunden auf sich aufmerksam zu machen.
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 +Auch laufen die Leute nicht überall mit Joints in der Hand durch die Gegend. Erstens ist in den Vereinigten Staaten Ta­bakrauchen in der Öffentlichkeit relativ verpönt und zwei­tens darf Cannabis nur im Privaten konsumiert werden. Dennoch riecht man hie und da den süsslichen Geruch. Die Randständigen, von denen es sehr viele gibt, interessiert das Konsumverbot dann halt doch nicht so sehr. Und der legale Markt hat Produkte hervorgebracht, die auch in der Öffentlichkeit ganz diskret konsumiert werden können. Trotzdem, der Konsum in der Öffentlichkeit steht unter Strafe und wird mit einer Busse von 75 Dollar bestraft. Es gibt aber viele weitläufige Parks – die Wahrscheinlichkeit, dort erwischt zu werden, ist dann doch eher gering. Hotels gelten zwar als privat, aber meist sind sie halt auch rauchfrei. Insbesondere wird das Rauchen von Cannabis dort auch nicht wirklich toleriert. Den Cannabis-Tourismus muss man auch hier noch suchen. Es fanden sich aber Lösungen, der persönlichen Nachfrage gerecht zu werden. Wer in aller Ruhe einen durchziehen will, kann dies beispielsweise in einem der privaten Busse tun. Die Kunden und Kundinnen werden teilweise direkt vom Flughafen abgeholt und nach dem Besuch mehrerer Dispensaries direkt vor dem Hotel abgesetzt.
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 +Viel Zeit hatte ich nicht, und so musste es auch bei nur einem Besuch einer Dispensary bleiben. Meine Wahl fiel auf ein Geschäft im altbekannten Look nahe dem Zentrum, dem Herban Legends. Der Einlass ist nur mit einem gültigen Ausweis möglich. Meine Schweizer Identitätskarte wurde ohne mit der Wimper zu zucken als ausreichend empfunden. Wie man es aus den Dokumenta­tionen kennt, ist die Produktpalette riesig – alleine das Online-Menü umfasst schon meh­rere hundert Artikel. 
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 +Normalerweise verdampfe ich Blüten in ei­nem Vaporizer. Zwar ist das Mitführen eines solchen Geräts keine Straftat, macht die Sache an der Grenzkontrolle aber nicht unbedingt einfacher. Da ich diesbezüglich sowieso oft die schlechte Karte ziehe, ersparte ich mir diese Herausforderung und liess das Gerät zu Hause. Ein klassischer Joint wäre eine Alternative gewesen, doch unterliess ich dies aus den bereits genannten Gründen. Blieb also noch der Verzehr von Edibles, also Esswaren, die mit THC oder CBD angereichert sind. Es ist bekannt, dass die Dosierung solcher Produkte nicht ganz einfach ist. Entsprechend recherchierte ich erstmal, was denn eine gute Dosis für den Anfang wäre. Geraten wird, dass man mit Produkten beginnt, die einen hohen CBD-Anteil aufweisen. Da CBD antipsychotische Eigenschaften aufweist((A.W. Zuardi, J.A.S. Crippa, J.E.C. Hallak, F.A. Moreira and F.S. Guimarães (2006). Cannabidiol, a Cannabis sativa constituent, as an antipsychotic drug. Brazilian Journal of Medical and Biological Research, 39(4), 421-429. https://dx.doi.org/10.1590/S0100-879X2006000400001)), wird den allfällig unangenehmen Effekten des THC vorgebeugt. Auch soll eine Konsumeinheit nicht mehr als 10 Milligramm THC beinhalten. Zwischen jeder Konsumeinheit soll man mindestens eine Stunde warten.
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 +Der Budtender in der Dispensary zeigte mir eine Schachtel Pfefferminzbonbons für 40 Dollar, à 10 Milligramm THC pro Stück sowie verschiedene Süssigkeiten, unter anderem eine Tafel schwarze Schokolade mit insgesamt 10 Milligramm THC. Ich entschied mich für die Schokolade, da diese leicht in kleinere Portionen teilbar war und mir auch noch gut schmeckte.
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 +Nach einem kurzen Gespräch bezahlte ich die 7 Dollar. Immer noch werden keine Kreditkarten akzeptiert, alles läuft über Bargeld. Die Banken wollen das Geld dieses Industriezweigs noch immer nicht haben. Da auf nationaler Ebene Cannabis immer noch als stark illegale Droge gehandhabt wird, ist die Angst vor rechtlichen Problemen wahrscheinlich zu gross.
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 +Im Hotel angekommen, gönnte ich mir erstmal knapp einen Viertel der 10 Milligramm THC. Eine weise Entscheidung, denn das Zeug hat es in sich. Später ging es mir wunderbar und ich war froh, nicht die Pfefferminzbonbons genommen zu haben. Die Wirkung war angenehm entspannend und etwas stärker als erwartet, aber nicht zu stark. Die volle Wirkung zeigte sich auch erst ca. zwei Stunden später und hielt länger an, als ich es mir gewohnt bin. Ich werde in Zukunft wohl mehr zur Backform greifen als zum Vaporizer.
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 +Abschliessend muss ich sagen, dass mir Seattle nicht wirklich gefallen hat. Die Leute sind zwar freundlich und sehr serviceorientiert, sie meinen aber halt auch, dass sie die besten der Welt sind. Insbesondere im Umgang mit Behörden tut man gut daran, seine Meinung für sich zu behalten, was mir persönlich halt sehr schwerfällt. Auffallend ist das soziale Elend, das ich so noch nie in einer westlichen Stadt beobachtet habe. Die Randständigen haben meist auch psychische Probleme und sind entsprechend aggressiv. Wünschenswert wäre auch, wenn mehr für die Umwelt getan würde. Meist gibt es Einweggeschirr und die Stadt ist halt einfach dreckig.
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 +===== Kanada, ein kleines Paradies, 22. September 2018 =====
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 +Ich war wirklich froh, endlich kanadischen Boden unter den Füssen zu haben. Den Rest der Reise hatten wir in Victoria BC auf Vancouver Island geplant. Im Internet hatte ich im Voraus recherchiert, wie dort der Umgang mit Cannabis gehandhabt wird. Dispensaries gibt es hier laut Internet wie Sand am Meer. Dennoch, Kanada legalisiert offiziell erst Mitte Oktober, also erst einen Monat nach meiner Ankunft. Medizinisches Cannabis gäbe es laut dem Internet nur auf Rezept und die Informationen, die ich recherchiert hatte, waren teils sehr unterschiedlich – ich hatte also Fragen.
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 +Am ersten Tag sind wir Richtung Sooke Provincial Park aufgebrochen, um eine kleine Wanderung zu unternehmen. Irgendwann bemerkten wir Jugendliche, die sich mitten im Nirgendwo mit einer Bong zu verstecken versuchten. Ich sprach dann die verängstigte Truppe an – einer rannte sogar davon – und erklärte, dass es mir ziemlich egal sei, was sie da trieben. Mir wurde gesagt, dass man mit Ausweis eigentlich problemlos bereits jetzt alle Produkte beziehen könne, sobald man über 19 sei. Mit dieser Information ging es zurück ins nächste kleinere Städtchen Sooke. Unterwegs begegneten wir dann noch einem Schwarzbären auf der Strasse und waren froh, dem Tier nicht schon vorher auf der Wanderung begegnet zu sein.
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 +In der nächsten, gleichnamigen Kleinstadt Sooke stachen mir gleich zwei Dispensaries in die Augen. Wir besuchten sogleich eine mit dem eindeutigen Namen Medijuana. Der Shop in Seattle hatte noch das Flair eines klassischen Hanfshops, hier erwartete mich aber eher etwas wie eine Bank. Es gibt auch hier ganz verschiedene Ladenkonzepte. Die Budtenderin stand an einem Schalter hinter  Panzerglas. Darüber wurde das Menü auf einem grossen Bildschirm abgebildet. In der Ecke stand ein Bankomat, denn auch hier ist Barzahlung aus den bereits genannten Gründen Pflicht. Edibles wie in Seattle gibt es in Kanada nicht und so entschied ich mich diesmal für drei vorgedrehte Joints für umgerechnet 9 Franken. Das sind 3 Franken für eine prall gefüllte, pure Tüte. Meine Schweizer Identitätskarte wurde auch diesmal wohl nur wegen der Seltenheit genauer betrachtet. Die Verkäuferin meinte auf mei­ne Frage, wie das denn so laufe, es sei halt ein Graubereich, ein Rezept sei nicht nötig. Mehr wollte sie dann auch nicht berichten.
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 +Und so rauchte ich am nächsten Abend die erste völlig legal erworbene Tüte. So ganz pur und ohne Tabak ist das dann doch noch eine ganz andere geschmackliche Qualität. Auch die Wirkung war nicht zu verachten und unglaublich angenehm. Ich musste dazu jedoch eine längere Strecke um den Block zurücklegen, denn wir hatten ein Airbnb gemietet, in dem das Rauchen strikte untersagt ist. Eigentlich hätte ich auch auf der Strasse nicht rauchen dürfen, aber da sind wir wieder beim selben Problem wie in Seattle: Wo soll man dann? Allgemein ist jegliche Art von Rauchen in Kanada ziemlich verpönt. Man sieht selten Raucherinnen oder Raucher und in der Öffentlichkeit ist es meist untersagt. Ich hatte nur schon Mühe, ein Feuerzeug zu finden. Der Umgang mit Alkohol ist ähnlich geregelt wie der mit Ta­bak. In der Öffentlichkeit darf kein Alkohol konsumiert werden und gekauft werden darf dieser nur in sogenannten Liquor Stores.
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 +Nun schreibe ich diesen kleinen Reisebericht und morgen geht es wieder zurück in die Schweiz. Kanada ist wirklich eine Reise wert. Die Menschen hier sind sehr freundlich und serviceorientiert. Und die Natur ist schlicht paradiesisch, oft schon fast kitschig. Jeder Park ist sauber gepflegt und bietet für Wanderfreudige Möglichkeiten für stundenlange Wanderungen. Die Wildnis ist jedoch allgegenwärtig und wer sich etwas abseits bewegen will, sollte sich über den Umgang mit Wildtieren informieren, denn Bären, Pumas oder Wölfe sind keine Seltenheit. Mir persönlich hat es dieses Land sehr angetan und wenn sich die Gelegenheit bieten würde, länger hier zu verweilen, würde ich das wohl auch tun. Dass mir hier niemand vorschreibt, wie ich meinen Lebensstil zu pflegen habe, ist sicherlich ein Punkt.
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 +===== Das Kanada-Modell für die Schweiz? =====
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 +Ich persönlich finde den kanadischen Umgang mit Cannabis, Alkohol und Tabak sehr gut. Niemandem wird vorgeschrieben, was er für sich privat zu tun und zu lassen hat. Es wird weder verharmlost noch verteufelt und auch nicht auf Abschreckung und Strafe gesetzt. Vielmehr werden die Märkte für Cannabis, Alkohol und Tabak in vielen Provinzen Kanadas konsequent ge­trennt. Im Supermarkt findet man weder Alkohol noch Tabak. Diese finden sich nur in Fachgeschäften. Über ein solches Vorgehen könnten wir durchaus auch in der Schweiz nachdenken. Bei uns bekommt man überall alles. Coop, Denner und Co. haben regelmässig harten Alkohol im Quängelregal, also dem Regal direkt vor der Kasse. Und hinter der Kassiererin verführt dann ein breites Angebot an Tabak. Es ist bequem, gleich noch Zigaretten zu kaufen – im Gegenzug würde der Gang in einen Fachladen wohl präventiv gesehen mehr bringen als abschreckende Horrorbilder auf Tabakprodukten.
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 +Der öffentliche Konsum von Cannabis, Alkohol und Tabak ist in Kanada meist verboten. Ich persönlich begrüsse das bis zu einem gewissen Grad. Dennoch könnte man das Ganze etwas aufweichen und den Konsum in grösseren Parkanlagen oder in der Natur draussen nicht einschränken. An Veranstaltungen gibt es in Kanada spezielle Raucherzonen.
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 +So weit, so gut. Doch eine weitere Schwierigkeit ist immer noch der Strassenverkehr – in Kanada können die meisten nicht ohne Au­to leben. Auch scheint man dahingehend noch kein Patentrezept gefunden zu ha­ben. Die kanadischen Behörden planen in­des einen 12-Schritte-Test, um das Fahren unter Drogeneinfluss zu testen. Wer die Tests nicht besteht, muss zum Bluttest antreten, welcher aber laut den Behörden auch nur bedingt die Fahrtüchtigkeit bewerten könne: «is not as strongly related to driver impairment as (blood alcohol content) is to alcohol-impaired driving.» ((CTV News, 30.6.2018, How Police are preparing to catch drivers under the influence of cannabis: http://ctv.news/a1mE4Hl))
  
Zuletzt geändert: 1970/01/01 01:00

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