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Quasi legal
Shit happens 11

Quasi legal: Die geringfügige Menge Cannabis

Gesetze

Die straffreie geringfügige Menge Be­täu­bungs­mittel­ge­setz BetmG, SR 812.121, Artikel 19b, Absätze 1 und 2PDF, Seite 17
Nichteinziehbarkeit: Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des National­rates, 2.9.11, → PDF, Seite 8210

Bedingungen

Quasi legal nennen wir das, weil alle zwar ohne Bestrafung bis zu 10 Gramm THC-haltige Produkte für den Eigen­konsum besitzen dürfen, aber eben: Man darf sie noch nicht kon­sumiert haben, jedenfalls nicht amtlich be­ob­ach­tet/󠀭aktenkundig/󠀭beweisbar, da der Kon­sum immer strafbar ist.

Tipps

Wer polizeilich kontrolliert wird, nicht konsumiert und weniger als 10 Gramm dabeihat, sollte Fragen nach früherem Konsum nicht beantworten oder halt lügen. Denn sobald jemand auch nur einen einzigen Joint aus der Vergangenheit gesteht, muss die Polizei das ordentliche Verfahren einleiten.

Strafen

Wer nicht konsumiert (hat), aber bis zu 10 Gramm für den eigenen Konsum besitzt, kann laut Gesetz nicht bestraft wer­den. Sobald jedoch ein begrün­deter Verdacht vorliegt, dass doch schon mal konsumiert wurde oder mehr als 10 Gramm im Spiel sind, kann ein normales Verfahren eingeleitet werden.


Inserat

cannatrade.ch


Quasi legal: Die geringfügige Menge Cannabis

Eine alte Bestimmung...

Seit Bestehen des BetmG findet sich eine wunderliche Formulierung in all den Verboten, Strafen und der ganzen Illegalität: der Artikel 19b. Dieser besagt Folgendes: Trotz der grundsätzlichen Strafbarkeit des Umgangs mit Produkten, die mindestens 1.0 % THC aufweisen, ist nicht strafbar, wer nur eine geringfügige Menge für den eigenen Konsum vorbereitet. Auch die Abgabe zum gleichzeitigen, unentgeltlichen Konsum unter Erwachsenen ist in diesem Rahmen straffrei.

...ist nun grammmässig geklärt

Seit Oktober 2013 ist diese straffreie geringfügige Menge für den Hanf schweiz­weit gesetzlich klar definiert: 10 Gramm «Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis» (so heisst un­ser gutes Kraut im BetmG) gelten als geringfügige Menge. Der THC-Gehalt kann übrigens beliebig hoch sein.

Ein Teil der Ordnungsbussenvorlage

Eingeführt wurde diese Gramm-Grenze ja zusammen mit der Ordnungsbussenvorlage, um eben Ordnungsbussen für Cannabiskonsum auch bei Besitz einer kleinen Menge umsetzen zu können. Doch diese Bestimmung hat ein Eigenleben: Wer weniger als 10 Gramm für den Eigenbedarf besitzt und noch nicht konsumiert hat, macht sich überhaupt nicht strafbar und kann also laut Gesetz auch nicht bestraft werden. Dies gilt nur, solange jemand nicht am Konsumieren ist (das ergäbe eine Ordnungsbusse) und auch noch nicht konsumiert hat (das ergäbe eine Verzeigung mit Busse und Gebühren).

Die Quasi-Legalität...

Auf den Punkt gebracht: Wer bis zu 10 Gramm besitzt, die für den Eigenverbrauch bestimmt sind, aber davon noch nicht gekifft hat, bleibt straffrei. Und das Stück Hasch, das Säcklein Gras? Das ist wohl der lustigste Teil: Es darf nicht eingezogen werden. Dies steht zwar leider so nicht im Gesetz, leitet sich aber aus der Straffreiheit her.
In den Erläuterungen zu dieser gesetzlichen Bestimmung heisst es: «Nicht eingezogen werden kann eine geringfügige Menge von Cannabis, die die Täterin oder der Täter nur bei sich trägt, da der Besitz von geringfügigen Mengen eines Betäubungsmittels (…) straflos ist.» Da­mit sind also 10 Gramm Cannabis quasi legal.

...wird nicht angewendet

Doch keine Polizei hielt sich bisher an diese eigentlich klare Vorschrift. In Zürich wurde im polizeilichen Dienstbefehl sogar festgehalten, dass in solchen Fällen (Besitz unter 10 Gramm ohne Konsum) zwingend eine Ordnungsbusse zu erteilen sei. In anderen Kantonen kam es in Einzelfällen zum Einzug der unter 10 Gramm, und es wurden keine Bussen verteilt bzw. keine Verzeigungen gemacht.
Häufig versuchte die Polizei jedoch durch Befragungen weitere illegale Handlungen festzustellen (zum Beispiel Konsum in der Vergangenheit), so dass sie die Betroffenen deswegen verzeigen konnte.
Die gesetzlichen Bestimmungen gelten zwar für die gesamte Schweiz, dennoch bleibt in der alltäglichen Umsetzung ein enormer Spielraum für die kantonalen und städtischen Polizeien.

Einsprache machen oder nicht?

Wer eine Ordnungsbusse über 100 Franken für den Besitz von ein paar Gramm Cannabis erhalten hatte, wehrte sich im Allgemeinen nicht, der Aufwand für einen Rekurs schien den meisten zu gross. Auch wer eine Verzeigung und Busse erhielt, scheute häufig den Aufwand (und die möglichen höheren Kosten, falls man den Rekurs verliert).

Eine erste gerichtliche Klärung

Doch einige wollten es genau wissen und zahlten die Ordnungsbusse nicht, verlangten das ­ordentliche Verfahren, wurden normal mit ei­nem Strafbefehl gebüsst und rekurrierten weiter. Schliesslich gelangte ein solcher Fall vor das Zürcher Bezirksgericht. Dieses entschied im September 2015, dass der Besitz einer straffreien Menge wirklich nicht bestraft werden kann und sprach den Betroffenen frei.
Die Nichteinziehbarkeit bestätigte das Gericht jedoch nicht. Der beschlagnahmte Hanf hätte ja zur Vorbereitung einer illegalen Handlung dienen sollen (dem strafbaren Konsum). Deshalb werde das Material nicht wieder herausgegeben.
Die Polizei in Zürich wollte ihre Praxis jedoch nicht ändern. Auch dieses klare Urteil genügte ihnen nicht: Man müsse auf ein Urteil des Obergerichtes warten.

Das Bundesgericht sieht es gleich

Doch bevor dies geschah, brachte ein Bundesgerichtsurteil vom September 2017 Klarheit, welches von einem Basler Fall herrührte:
BGE 6B_1273/2016 vom 6.9.2017
Unmissverständlich hielt das Bundesgericht darin fest, dass straffrei eben wirklich straffrei bedeutet und eigentlich gar kein Strafverfahren hätte aufgenommen werden dürfen. Auch die Kosten des Verfahrens dürfen nicht überwälzt werden. Leider liess es die Frage zur Einziehung weiterhin offen. Hierzu wird es noch weitere Rekurse brauchen, um dies zu klären.
Doch das Bundesgericht gab in diesem Urteil noch einen weiteren Hinweis: Der (strafbare) Konsum einer geringfügigen Menge sei unter den «leichten Fall» zu nehmen. Dafür würde also eine Verwarnung genügen - oder das Verfahren könnte gleich ganz eingestellt werden. Aber davon wollen die Strafverfolgungsbehörden nichts wissen, wie wir auf den nächsten Seiten sehen werden.

Der Umgang mit der geringfügigen Menge

Zusammenfassung der Lage Ende 2017: Das Gröbste scheint geklärt. Der Artikel Die geringfügige Menge Hanf: Bedeutet straffrei straffrei? fasst verschiedene Urteile zur geringfügigen Menge zusammen.

Meistens wird die Straffreiheit der geringfügigen Menge ignoriert. Es gibt nun mindestens drei Varianten, wie die Polizei in solchen Fällen vorgeht. Details dazu im Artikel Einführung der Ordnungsbussen und Umgang mit der geringfügigen Menge aus dem Sommer 2015.

Updates zur geringfügigen Menge

2018

Herbst 2017

Herbst 2016

Beispiele von Einstellungs­verfügungen wegen geringfügiger Mengen

Einstellungsverfügung Baselland

Beispiel einer Einstellungsverfügung wegen einer geringfügigen Menge. Hier wird die ganze Argumentation nochmals schön zusammengefasst:

Einstellungsverfügung Baselland, Seite 1 Einstellungsverfügung Baselland, Seite 2

Einstellungsverfügung Statthalteramt Hinwil

Zuerst gab es eine Busse wegen Besitz einer straffreien geringfügigen Menge Cannabis. Erst nach einem Rekurs und einer Einvernahme folgte die Behörde dem Gesetz und stellte das Verfahren ein.

Einstellungsverfügung Statthalteramt Hinwi, Seite 1 Einstellungsverfügung Statthalteramt Hinwi, Seite 2

Einstellungsverfügung Statthalteramt Bülach

Konsum war nicht bewiesen, Besitz von Hasch und Gras war klar - allerdings in einer geringfügigen Menge. Das Statthalteramt Bülach stellte das Verfahren ein:

Einstellungsverfügung Statthalteramt Bülach ZH

Einstellungsverfügung Tessin

Der Besitz von weniger als 10 Gramm Gras oder Hasch für den eigenen Bedarf ist straffrei. Deshalb gab es eine Einstellungsverfügung.

geringfuegigemengetessin2018a.jpg geringfuegigemengetessin2018b.jpg


Gerichtsurteile zur geringfügigen Menge

Gilt die geringfügige Menge auch für Jugendliche? (2018)

Ende Juni hatten einzelne Medien über dieses Urteil berichtet - nun veröffentlichen wir es hier noch als PDF. Da dieses Urteil von der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich ans Bundesgericht weitergezogen wurde, ist es allerdings nicht rechtskräftig.

Urteil des Zürcher Obergerichts vom 5. April 2018

Das Bundesgericht schafft noch mehr Klarheit (2017)

Eine erste gerichtliche Klärung (2015)

Das Bezirksgericht Zürich hat im September 2015 einen Fall mit einer geringfügigen Menge Cannabis beurteilt und den Betroffenen freigesprochen. 13 Seiten benötigte das Gericht, um eine laut Gesetz straffreie Handlung auch wirklich als solche zu würdigen. Aber immerhin hat das Gericht das geschafft, was Polizei und Stadtrichteramt einfach nicht begreifen wollen.
Hier folgt das Faksimile des Urteils, das auch klärt, dass es für eine Cannabisordnungsbusse zwingend einen Konsum braucht. Das Gericht schliesst sich also unserer Interpretation des Gesetzes an. Nur die Nichteinziehbarkeit sieht das Gericht als nicht gegeben an, was dem Erläuterungstext der Kommission widerspricht.

Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 10.9.2015 - geringfügige Menge
Urteil: geringfügige Menge, Seite 1
Urteil: geringfügige Menge, Seite 2 Urteil: geringfügige Menge, Seite 3 Urteil: geringfügige Menge, Seite 4
Punkt 4.4 - Cannabis für
den eigenen Konsum
Urteil: geringfügige Menge, Seite 5 Urteil: geringfügige Menge, Seite 6 Urteil: geringfügige Menge, Seite 7
Punkt 4.9 - Generelle Straflosigkeit
bei Besitz bis 10 Gramm Cannabis
Punkt 4.10 - Ordnungsbussen nur
für Konsum, nicht für Besitz
Cannabis muss trotzdem
eingezogen werden
Urteil: geringfügige Menge, Seite 8 Urteil: geringfügige Menge, Seite 9 Urteil: geringfügige Menge, Seite 10
Der Freispruch
Urteil: geringfügige Menge, Seite 11 Urteil: geringfügige Menge, Seite 12 Urteil: geringfügige Menge, Seite 13



Inserat

cannatrade.ch
Zuletzt geändert: 2019/05/20 10:41

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