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Verfolgung stoppen: Rechtliche Möglichkeiten

Die Verfolgungszahlen sind zwar in den letzten Jahren gesunken. Aber immer noch werden über 20’000 Menschen pro Jahr polizeilich verfolgt und staatsanwaltschaftlich oder von Gerichten bestraft. Vielleicht könnten wir vor Bundesgericht noch etwas beim geringfügigen Konsum herausholen.

Wie stark illegal ist der Umgang mit THC?

Cannabis (ab 1 % THC) ist nach wie vor ­verboten, sogar sehr streng verboten. Die Stufen der Illegalität haben wir in ­unserem Shit happens 15 dargestellt und verweisen hier darauf: Shit happens 15

Umfang der Verfolgung

Im Legalize it! 102 und 103 und auf unseren Statistikseiten haben wir die Entwicklung der Verfolgungsintensität dargestellt und verweisen hier auf die dort ­abgedruckten bzw. dargestellten Grafiken.

Wir sehen bei Übertretungen und Vergehen einen starken Anstieg nach der ­verlorenen Hanf-Abstimmung 2008, anschliessend einen starken Wechsel bei den Übertretungen von Verzeigungen zu Ordnungsbussen und schliesslich einen dramatischen Rückgang der Fallzahlen. Ähnliches sehen wir auch bei den Vergehen.

Wieso dieser Rückgang?

Das BetmG war in dieser Zeit im Wesentlichen dasselbe, nur die Ordnungsbussenbestimmungen kamen neu dazu (ab Oktober 2013, das zeigt die Übertretungs-Grafik schön auf). Aber wieso sanken die Zahlen so stark? Zunächst wollten die Polizeien die neuen Ordnungsbussen für vieles geben und sich die Verzeigungen ersparen (also nicht nur für den beobachteten Konsum, sondern auch für den Besitz bis zehn Gramm). Das stand und steht aber so nicht im Gesetz. Also versuchten Betroffene dies juristisch anzufechten.

Drei Bundesgerichtsurteile

In einem ersten Schritt konnte vor Bundesgericht erreicht werden, dass der Besitz von unter 10 Gramm ohne beobachteten Konsum (also das einfache Mitführen) nicht bestraft werden darf, so wie es ja auch im Gesetz steht: Etwas definiert Straffreies darf in einem Rechtsstaat nicht bestraft werden. Auch wenn die Polizeien diese ­Bestimmung als einen «Fehler im Gesetz» betrachteten: Bestrafungen sind da nicht zulässig.

In einem weiteren Urteil wurde das auch für Jugendliche geklärt: Es ist für alle nicht strafbar. Wiederum: So ist es im Gesetz ­definiert.

In einem dritten Urteil kam ein Betroffener vor ­Gericht, der 2019 Sven angerufen hatte wegen einer horrenden Strafe für ein paar Gramm (rund 1'700 Franken). Nach vier Jahren und mit Hilfe von vielen Aktiven ­(interessierter Jurist, Defizitgarantiegeberinnen, Argumentationsentwickler) entschied das Bundesgericht 2023, dass eine solche geringfügige Menge nicht strafbar ist und auch nicht ­eingezogen werden darf.

Wir denken, dass diese drei Entscheide sowie die generelle Überlastung von Polizeien und Staatsanwaltschaften zum Rückgang der Repression geführt haben. Wir können also auch juristisch etwas erreichen, selbst bei einem scharfen Gesetz. Aber es braucht dafür Betroffene, die einen jahrelangen juristischen Prozess durchhalten mögen; Unterstützende, die Defizitgarantien sprechen; juristische Fachper- sonen oder Anwälte/Anwältinnen, die sich wirklich mit diesem Thema auseinandersetzen wollen und auch ein Büro, wo all diese Fäden zusammenlaufen und während diesem jahrelangen Prozess aktiv ­gehalten werden.

Was könnten wir juristisch noch ­erreichen?

Der Konsum ist ja eigentlich verboten (Übertretung). Es kann aber auch in leichten Fällen von einer Strafe abgesehen oder eine Verwarnung ausgesprochen werden. Diese Bestimmungen im BetmG werden ­allerdings praktisch nie angewendet.

Das Bundesgericht hat in den Urteilen zur geringfügigen Menge immer wieder ­erwähnt, dass es den Konsum von solchen geringfügigen Mengen eben auch nicht ­bestrafen, sondern dies unter den leichten Fall nehmen würde. Damit wäre die Auslegung des BetmG auch wieder sinnvoll… Hier wäre also vielleicht noch etwas herauszuholen. Allerdings sind diese Paragrafen Kann-Paragrafen. Es ist also nicht so klar wie bei der geringfügigen Menge: Dort heisst es «ist straffrei». Es ist nicht sicher, dass das Bundesgericht den untergeordneten Instanzen da wirklich reingrätschen will. Aber es besteht doch eine gewisse Möglichkeit. Wenn es gelingt, wäre der ­Besitz bis zehn Gramm sowie auch der Konsum dieser Menge (wenigstens im Privaten) straffrei. Das wäre nicht nichts…

Wenn wir das abklären wollen, brauchen wir:

  • Einen guten Fall: aktenkundiger Konsum im Bereich einer geringfügigen Menge, Konsum daheim, keine weiteren Straftaten oder weitere Komplikationen.
  • Betroffene mit Ausdauer: Das Ganze kann sich gut vier Jahre hinziehen.
  • Finanzielle Unterstützung: Wenn man verliert, kostet das schnell einige tausend Franken.
  • Juristische Unterstützung: Der bisherige Jurist wäre ziemlich sicher bereit, hier mitzutun. Doch das müsste geklärt werden.

Wollen wir ein solches Projekt starten? Da sind wir gespannt auf deine Meinung.

Mehr können wir juristisch wohl nicht herausholen. Für mehr braucht es eine Gesetzesänderung (und eben auch Mehrheiten dafür). Unsere Rechtsberatungen werden also noch lange nötig und sinnvoll sein.

Das bisherige BetmG ist nach wie vor in Kraft und ein sehr scharfes Gesetz, das nie unterschätzt werden sollte!

Zuletzt geändert: 2025/03/04 15:45

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