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Mitte Februar dieses Jahres hat die SFA (Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme) eine Studie veröffentlicht, die sich mit dem Gras- und Haschkonsum in der Schweiz befasst. In einer gesamtschweizerisch repräsentativen Telefonumfrage wurden 1'600 Personen zu ihrem Konsum von und ihrer Meinung über Cannabisprodukte befragt.
Der offizielle Titel der Studie übrigens lautet «Cannabis auf der Schwelle zum legalen Rauschmittel – Was die Schweizer und Schweizerinnen vom Cannabiskonsum halten». Kurz zusammengefasst beschäftigt sich die Studie zunächst einmal mit der Frage, wer denn schon einmal gekifft hat. Dann interessiert die Forschenden wer denn aktuell kifft, seit wann und wie oft; schliesslich wurde auch gefragt, was gekifft wird und wie die Konsumenten zu den getrockneten Blüten oder dem gepressten Harz kommen. Dies soweit die Kernfragen zum Kiffen. Weiter wurde dann nach Problemen mit dem Konsum, dem Gebrauchswert von Cannabis und den Folgen bzw. Auswirkungen dessen Genusses gefragt. Auch das Image der Kiffenden und die Meinung über die aktuelle Lage wurden erhoben. Schliesslich folgte noch eine ganze Fragenpalette zu cannabispolitischen Optionen, die momentan noch offen stehen, in wenigen Jahren aber in eine gesetzliche Neuregelung übergehen könnten.
Der ganze Bericht umfasst 32 Seiten und diese offensichtlich gewaltige Menge an Information führt dazu, dass der nun folgende Bericht sich vor allem den Ergebnissen widmet, die Kiffende und deren Gewohnheiten betreffen.
Gemäss Studie haben rund 27% der 15- bis 74-jährigen Schweizerinnen und Schweizer wenigstens einmal in ihrem Leben gekifft. Bei den Befragten waren es 44% der Jugendlichen und gar 58% der jungen Erwachsenen, die mindestens schon einmal an einem Joint gezogen haben. Noch 35% der 25- bis 44-Jährigen, 16% der 45- bis 59-Jährigen und immerhin 5% der über 60-Jährigen haben Erfahrungen mit dem Konsum von Cannabis.
Erfahrungen mit Cannabis, nach Alter |
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Frage: «Haben Sie in Ihrem Leben schon einmal Cannabis (Marihuana, Haschisch) genommen?» Basis: 1'584 Personen (Gesamtstichprobe) |
Für die Verfasser des Berichts sind diese Ergebnisse Ausdruck davon, dass die Generation der «Haschrebellen» der 70er und 80er mittlerweile in den Fünfzigern steht und erlebt, dass ihr Nachwuchs den Joint kreisen lässt. Nun ja, ich weiss nicht, ob es diese Generation als solche wirklich gibt, denn so wie es scheint, waren lange nicht alle in den «wilden Siebzigern» wirklich wild, auch wenn nicht nur die SFA jene heute kollektiv Generation der «Haschrebellen» nennt. Auch heute ist ja genau dies das am einfachsten Erkennbare: Es kiffen lange nicht alle und selbst die, die man in diese Gruppe einteilen will, unterscheiden sich untereinander schon wieder so krass, dass diese Einteilung auch schon wieder nicht viel aussagen kann. Vielmehr ist es doch ein Zeichen der Zeit, dass es neben der «Spassgesellschaft» als Ganzes auch subkulturähnliche Konsumstrukturen gibt. Sei kiffen nun die Alternative zum Trinken von Alkohol oder zum Konsum synthetischer Drogen – ich glaube nicht, dass die Eltern einen grossen Einfluss auf die Wahl der Genussmittel der Jungen haben, eher auf die Art und Weise, wie diese konsumiert werden.
Anzufügen bleiben nur noch die Ergebnisse der Auswertung nach Sprachregion. Dabei zeigt sich, dass sich die höhere Repressivität in der Romandie nicht in einem geringeren Anteil an Cannabiserfahrenen niederschlägt – eher das Gegenteil ist der Fall: In der Romandie ist der Anteil der Cannabiserfahrenen vergleichbar mit dem der Deutschschweiz und deutlich erhöht gegenüber dem des Tessins. Wie später noch zu zeigen sein wird, schlägt sich die Repression dann schon eher in der Art und Weise nieder, woher die Genussmittel kommen.
18% der befragten 15- bis 59-Jährigen gaben an, dass sie in den letzten 12 Monaten Cannabisprodukte konsumiert haben. Auf das Alter bezogen heisst das: Ein knappes Viertel der Jugendlichen und ein gutes Viertel der jungen Erwachsenen konsumieren aktuell Cannabis. Bei den 25- bis 44-Jährigen sind es doch noch knapp 10% und bei den 45- bis 59-Jährigen noch gut 5%. Kiffende im Alter über 60 Jahren waren keine an dieser Studie beteiligt, auch wenn die realen Verhältnisse sicher anders aussehen.
Aktueller Konsum von Cannabis, nach Alter |
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Frage: «Nehmen Sie immer noch Cannabis (Marihuana, Haschisch)?» Basis: 1'365 Personen (Gesamtstichprobe) |
Aus dem erklärenden Text wird klar, dass für die SFA die einmalige Erfahrung mit Cannabisprodukten beispielhaft für einen Normbruch steht. Allerdings sei das Augenmerk auf den wichtigeren aktuellen Konsum zu richten. Zu diesen Ergebnissen wird ausgeführt, dass zwar in jungen Jahren deutlich mehr «gehascht» werde als in späteren Jahren, aber heute keine Rede mehr davon sein könne, dass der Cannabisgebrauch ein ausschliessliches Phänomen der Jugend darstellt.
In der Presse wurde vor allem die Zahl der 87’000 täglich Kiffenden betont. In der Umfrage waren dies 6,5% der Jugendlichen, 5,4% der jungen Erwachsenen und 1,7% der 25- bis 44-Jährigen, die angegeben hatten, täglich zu kiffen. Die über 45-Jährigen scheinen lieber nicht mehr täglich zu kiffen.
Mit anderen Zahlen heisst dies, dass ein Drittel der 15- bis 74-Jährigen, die Cannabiserfahrung haben, auch heute noch kifft.
Sei es Gras oder Hasch, in- oder ausländischer Herkunft – was konsumiert wird, was also wo zu haben sein könnte, das liegt nicht nur im Interesse der Kiffenden, sondern auch die Strafverfolgungsbehörden möchten wissen, was auf dem Markt ist. In der Studie wurde leider nur eine Frage zu diesem Thema gestellt. Dabei gaben 44% der Kiffenden an, hauptsächlich Marihuana zu konsumieren. Immerhin noch 22% konsumieren hauptsächlich Haschisch und 34% rauchen Gras und Hasch vergleichbar oft.
Aktueller Konsum von Cannabis nach bevorzugter Substanzform |
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Frage: «Nehmen Sie immer noch Cannabis (Marihuana, Haschisch)?» Basis: 143 Personen (aktuell Konsumierende) |
Schon früher haben wir die seit Mitte der neunziger Jahre – besonders bei Jugendlichen – extrem ansteigenden Marihuana-Verzeigungen als Anzeichen für eine Veränderung der Konsumstruktur gewertet: Durch die Möglichkeit des Erwerbs von (meist inländischem) Gras in Läden, haben viele Junge gar nie begonnen (meist ausländischen) «Gassen»-Hasch zu konsumieren. Doch zu den Bezugsquellen von Cannabisprodukten gleich Genaueres.
Ein Viertel der Befragten pflanzt selbst Hanf an und mehr als die Hälfte hat Freunde, die mal was abgeben. Je über einen Drittel der Befragten kauft mal was im Hanfladen oder von Freunden. Nicht einmal ein Zehntel geht «auf die Gasse», um etwas Kiffbares zu besorgen.
Beschaffung von Cannabisprodukten |
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Frage: «Wie besorgen Sie sich Cannabis in der Regel?» Mehrfachantworten möglich Basis: 143 Personen (aktuell Konsumierende) |
Wie schon bei den Ergebnissen zum einmaligen Konsum erwähnt, interessiert auch hier besonders die Betrachtung der Sprachregionen. Da es in der Romandie durch die grössere Repression gegen Kiffende ja weniger bis gar keine Läden gibt, müssten in diesem Landesteil im Vergleich zur Deutschschweiz und dem Tessin andere Quellen für Cannabis zum Zuge kommen. Und wirklich, während in der dt. Schweiz ein Fünftel und im Tessin sogar ein Drittel in Läden kauft, ist es in der Romandie nur etwa ein Zehntel. Dafür bekommen sie ihn eher von Freunden (zwei Drittel, D-CH: 48%, I-CH: 42%). Auch beim Eigenanbau zeigt sich ein Unterschied. Ein Viertel der italienischsprechenden Befragten pflanzt selber an. Bei den Deutschschweizern ist es noch ein Fünftel und in der Romandie bleiben noch 13 Prozentchen an potentiellen Selbstversorgern. Allerdings ist die Zahl der Befragten zu gering, um generelle Aussagen über Kiffende zu machen. Aber ein letztes Detail scheint angebracht: Gerade die 15- bis 24-Jährigen – sie haben am meisten Verzeigungen zu ertragen – machten einiges öfter gar keine Angaben zu ihren Bezugsquellen.
Ich würde also mal schätzen 1,5 bis 2 Millionen Einwohner unseres kleinen Hanflandes haben schon einmal an einem Joint gezogen. Davon dürften so um die 500’000 aktuellem Konsum fröhnen und davon vielleicht die Hälfte wöchentlich und öfter. Schliesslich wären da noch die ca. 100’000 fast täglich Konsumierenden – also innerhalb der Kiffenden auch schon wieder eine Minderheit …
Konsumiert jemand täglich Cannabis, so stuft die SFA – nur schon aufgrund des «täglich» – diesen Konsum als «problematisch» ein. Ohne weitere Angaben über Mensch und Umfeld empfinde ich diese Schlussfolgerung als gewagt und dazu noch arrogant gegenüber den verantwortungsbewussten Konsumierenden. Aber es erstaunt nicht, dass eine Fachstelle, die sich mit Drogen-Problemen befasst, diesen Standpunkt vertritt. In einem weiteren Bericht über diese Studie dürfte zu klären sein, ob die zirka 100’000 mehr oder weniger täglich Kiffenden diesen Konsum als Problem oder eher als Genuss sehen.
Quelle: «Cannabis auf der Schwelle zum legalen Rauschmittel: eine Repräsentativstudie zum Phänomen „Cannabis“ : Konsum, Einstellungen, Politik» von Richard Müller, Hermann Fahrenkrug, Sandra Müller. SFA, Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme, 2001. (books.google.ch - PDF)
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