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Weitergabe an Jugendliche als Vergehen
Betäubungsmittelgesetz BetmG, SR 812.121, Artikel 19bis (Vergehen) sowie
Artikel 19, Absatz 2, Punkt d (schwerer Fall), beides im PDF (2023) auf Seite 19
Keine Ordnungsbusse für Jugendliche
Ordnungsbussengesetz (OBG), SR 314.1, Artikel 4, Ziffer 2 (Ausnahme zu allen anderen OB), im PDF (2023) auf Seite 3
Grundsätzlich ist alles auch für Jugendliche illegal, was für Erwachsene illegal ist. Die Verfolgung ist jedoch anders: Die Jugendanwaltschaft führt das Verfahren, der Strafrahmen ist noch offener als bei Erwachsenen.
Es gibt kein Ordnungsbussenverfahren für Jugendliche, ausschliesslich Verzeigungen.
Der beste, leider unrealistische Tipp ist wohl: Erst nach 18 mit Kiffen anfangen. Der Strafrahmen ist weit gesteckt und die Wahrscheinlichkeit, dass man so schon früh Puff bekommt (weniger wegen des Kiffens, mehr wegen der Verfolgung), ist sehr gross (Eltern, Schule, Betrieb, Jugendanwaltschaft).
Es gibt «Kifferkurse», an denen sich ertappte Jugendliche mit ihrem Konsum auseinandersetzen müssen. Es kann Verwarnungen geben oder Sozialarbeit, auch Bussen sind möglich und in schweren Fällen kann das elterliche Sorgerecht beschnitten bzw. ein Heimaufenthalt verfügt werden.
6’213 Jugendliche wurden 2020 verzeigt. Wenn THC-Konsumierende noch keine 18 Jahre alt sind, läuft das Verfahren anders als bei den Erwachsenen. Grundsätzlich ist das Verbot gültig, wie wir es auf den anderen Seiten beschreiben, aber der Strafrahmen ist noch offener als bei den Erwachsenen. Das heisst, dass die Jugendanwaltschaft ein sehr grosses Ermessen hat, wie sie eingreifen will, wenn sie erfährt, dass Jugendliche kiffen. Sie kann sie vorladen oder auch schriftlich ermahnen (evtl. auch Gebühren auferlegen).
Die Polizei verzeigt Jugendliche, die sie beim Kiffen erwischt. Die Jugendanwaltschaft fällt dann den Entscheid. Das kann eine Verwarnung sein (mit z. B. 100 Franken Gebühren), es kann auch eine Busse sein (z. B. 50 Franken und 50 Franken Gebühren). Dazu werden den Jugendlichen immer wieder Suchtkurse auferlegt, die Stunden bis Halbtage dauern können. Wer anderweitig auffällig ist oder mehrmals verzeigt wurde, wird natürlich härter angefasst. Die Möglichkeiten reichen dann von einer höheren Busse über Arbeitseinsätze bis zu einer bedingten oder unbedingten Einschliessung.
In einigen Gegenden wird, wenn kiffende Jugendliche auffallen, auch nicht sofort eine Strafe durch die Jugendanwaltschaft verhängt, sondern die Jugendlichen müssen Präventionskurse besuchen und sich mit dem Thema Sucht auseinandersetzen («Massnahmen»). Bei wiederholter Auffälligkeit wird dann eine Strafe ausgesprochen.
Die Eltern haben bei unter 18-Jährigen auch noch einiges zu sagen. Üblicherweise werden sie vom Jugendanwalt informiert (und der Entscheid der Jugendanwältin gelangt natürlich an die Adresse der Eltern). Spätestens dann steht neben der behördlichen Einmischung ein intensives Gespräch mit den Eltern an.
Diese reagieren sehr unterschiedlich. Während einige Väter und Mütter selber kiffen und Erfahrungen haben, bricht für unerfahrene Eltern eine Welt zusammen – sie sehen ihren Nachwuchs schon mit der Nadel im Arm unter irgendeiner Brücke liegen. Diese Gespräche mit den Eltern sind für viele Jugendliche schwieriger als die Bestrafung durch die Jugendanwaltschaft, denn mit den Eltern leben sie täglich zusammen. Dabei sollten auch die rechtlichen Probleme diskutiert werden.
Jugendliche können für das Rauchen eines Joints vor den Augen der Polizei nicht mit einer Ordnungsbusse bestraft werden. Die 100 Franken sind nur für Erwachsene gedacht. Die Polizei muss unter 18-Jährige auf dem «normalen» Weg verzeigen, wobei die Jugendanwaltschaft das Verfahren leitet.
Ein spezieller Punkt ist zu beachten: Wenn Jugendliche unter 18 Jahren mit über 18-Jährigen zusammen kiffen, dann ist die Weitergabe des Joints für diejenigen, die den Joint an über 18-Jährige reichen, straffrei. Für diejenigen allerdings, die den Joint an unter 18-Jährige weitergeben, ist es ein Vergehen, also ein stark illegales Verhalten. Gedacht war diese Bestimmung wohl gegen die Verführung Jugendlicher zum THC-Konsum, treffen kann sie Erwachsene, die gemeinsam mit Jugendlichen THC-Produkte konsumieren – und vor allem Jugendliche, die mit anderen Jugendlichen Joints rauchen. Auch hier erfolgt ja eine Weitergabe an unter 18-Jährige!
Generell ist die Weitergabe von THC-haltigem Cannabis auch unter Erwachsenen immer ein Vergehen. Doch während ältere Erwachsene ihren Konsum und Einkauf eher individualisieren oder im kleinen Kreis und vor allem privat abhandeln, haben Jugendliche und junge Erwachsene mehr Kontakte, halten sich häufiger in der Öffentlichkeit auf, tauschen sich dort mehr aus – und tauschen eben auch Cannabis aus, um sich gegenseitig auszuhelfen oder schiessen sich für die Cannabisbeschaffung Geld vor. Dies sind alles Vergehen, die zudem noch gut beobachtet und dann auch geahndet werden können.
Wer in der Schule gute Noten hat oder seine Leistung im Lehrbetrieb erbringt, hat normalerweise kaum schwere Sanktionen für Konsumhandlungen zu befürchten. Wer hingegen in der Ausbildung schlecht mitkommt oder gar noch weitere illegale Aktivitäten ausübt (Sprayen, Diebstähle), der wird natürlich härter angefasst. Je früher jemand erwischt wird, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie immer härtere Strafen bekommt – denn Wiederholungstaten können mit jedem Mal schärfer bestraft werden. Es ist also wirklich sehr sinnvoll, die ersten Verzeigungen im Leben so weit wie möglich hinauszuschieben: Denn wer bereits vor der Volljährigkeit mehrere Bussen erhalten hat, dem steht ein schwieriger Einstieg ins Erwachsenenleben bevor.
Leider wurden die Jugendlichen von den Pilotprojekten ausgeschlossen. Dabei wäre es gerade in diesem Bereich dringend und wichtig, einen neuen Umgang zu erarbeiten.
Alle wollen die Jugend schützen, aber kann die Gesellschaft die Jugend mit Bestrafungen schützen? Offensichtlich nicht.
Hier bleibt wohl nur: Konsum entkriminalisieren, Verkauf an Jugendliche verboten lassen.
Welche Faktoren beeinflussen den Drogenkonsum von Jugendlichen und welche Rolle spielen dabei Stress und Coping?
(Brigitte Pfanner-Meyer, Barbara Schmocker - ZHAW, Mai 2016, 108 Seiten, 3.4 MB)
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