Die Politik am diskutieren, abwägen und überlegen

Der Umgang mit THC-Produkten bleibt ein politisches Thema. Eine Kommission hat darüber diskutiert, der Bundesrat will nichts mehr davon wissen und die Stadt Bern will einen Probelauf prüfen. Eine Übersicht über den Stand der politischen Debatte.

Kommission des Nationalrates

Die nationalrätliche Kommission für Sicherheit und Gesundheit hatte ja Anfang 2005 einen Neubeginn der Betäubungsmittelgesetz-Revision vorgeschlagen (siehe Legalize it! 32, Seite 3). Die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SGK-S hat im Mai 2005 dann grünes Licht für diese Kommissionsinitiative gegeben. Am 10. April 2006 meldete sich die SGK-N mit einer Medienmitteilung wieder zu Wort: Mit 17 gegen vier Stimmen bei drei Enthaltungen stimmte sie zu, sich mit der Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes beschäftigen zu wollen. Ein Rückweisungsantrag hatte keine Chance. Allerdings: Unser Thema THC soll dabei kein Thema sein (siehe auch nächsten Abschnitt). Was genau in dieser Teilrevision geregelt werden soll, ist noch nicht ganz klar. Allerdings wurde das Ziel der Abstinenz im Artikel 1 festgelegt. Das ist insofern merkwürdig, als ja hauptsächlich die Vier-Säulen-Politik (Prävention, Therapie, Repression, Überlebenshilfe) gesetzlich verankert werden soll. Und damit genau die Einsicht, dass Abstinenz zu wollen eben kein taugliches Mittel der Drogenpolitik ist. Aus der Einsicht, dass man Abstinenz nicht erzwingen kann, wird seit einigen Jahren Heroin an schwer Abhängige medizinisch abgegeben. Von daher erstaunt dieser Zweckartikel. Auch wenn die THC-Frage ausgeklammert bleibt, ist diese Teilrevision auch für uns interessant. Speziell wichtig ist, was genau mit den Strafbestimmungen gegen den Betäubungsmittelkonsum passiert – werden sie verschärft, bleiben sie gleich, oder gibt es vielleicht eine leichte Lockerung? Darauf wird erst der exakte Wortlaut des Gesetzestextes Auskunft geben können.

Laut Kommissionssekretär hat die SGK-N die Detailberatungen beendet und die Teilrevision mit 18 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung abgesegnet. Jetzt liegt der Text beim Bundesrat und könnte Ende 2006 in den Nationalrat gelangen.

Subkommission der SGK-N

Eine Subkommission der SGK-N ist immer noch daran, sich Überlegungen zum Thema THC-Konsum und THC-Handel zu machen. Die Subkommission traf sich mindestens im August 2005. Konkretes haben wir nichts von ihr vernommen. Es scheint, dass die Subkommission nun doch keine eigene Vorlage ausarbeiten will – oder wenn, dann in Form eines Gegenvorschlages zur Initiative. Das wäre die einzige Möglichkeit, dass sich in den nächsten Jahren etwas grundlegend an der gesetzlichen Lage ändert.

Bundesrat und Initiative

Überraschend schnell hat der Bundesrat auf die Volksinitiative «für eine vernünftige Hanfpolitik mit wirksamem Jugendschutz» reagiert. Am 3. Mai 2006 hiess es zum Beispiel in der NZZ, dass der Bundesrat die Initiative zur Ablehnung empfehle und keinen Gegenvorschlag ausarbeiten wolle. Doch bis Redaktionsschluss war noch keine offizielle Botschaft erstellt worden – das Geschäft ist also immer noch beim Bundesrat pendent. Die ausformulierte Botschaft könnte bis Ende Jahr vorliegen, dann geht es weiter im Parlament.

Die Stadt Bern setzt ein Zeichen

Im März 2005, vor über einem Jahr also, las man im Berner «Bund» über eine Idee in der Stadt Biel. In einem Pilotversuch sollte erprobt werden, auf kontrollierte Art Hasch und Gras zu verkaufen. Das wäre ein ähnliches Vorgehen wie bei der kontrollierten Heroinabgabe: Auch da wurde trotz grundsätzlichem Verbot mit wissenschaftlichen Versuchen begonnen. Umgesetzt wurde diese innovative Idee aus Biel dann allerdings nie. Übrigens weigerte sich auch der Kanton Bern, einen solchen Versuchsbetrieb aufzugleisen. Ende Mai 2006 dann war es die Stadt Bern, die diese Idee aufgegriffen hat. Hier wurde es nun konkreter: Regierung und Parlament der Stadt Bern sind für einen solchen Versuch. Auf Antrag des Grünen Bündnisses und der Jungen Alternativen beschloss der Berner Stadtrat mit 38 zu 22 richtig abzuklären, was möglich ist. Im «Bund» liess sich das Bundesamt für Gesundheit BAG vernehmen: «Das geht nicht.» Ein Pilotversuch sei mit dem geltenden Gesetz nicht vereinbar. Aber für wissenschaftliche Forschung wären Experimente möglich. Letztlich ist es wohl eine Frage des politischen Kräfteverhältnisses, ob ein Versuchsbetrieb möglich wird. Aber zunächst will die Stadt Bern alle offenen Fragen sauber abklären. Denn es gibt bei dieser Idee noch ein paar Probleme. So müssten Polizei, Justiz und Sozialdepartement zusammenspielen und die wichtigsten politischen Parteien müssten einen solchen Versuch wirklich wollen. Soweit ist es noch nicht. Aber die Abstimmung im Berner Stadtrat zeigt, dass unser Thema nicht völlig vergessen ist. Und es zeigt, dass in der Stadt Bern eine andere Meinung herrscht als in Bundesbern. In der Stadt Zürich wurde von den Jungen Grünen ein ähnlicher Vorschlag eingereicht. Es kann gut sein, dass auch dieser eine Mehrheit findet – damit ändert sich konkret noch nichts, aber solche symbolischen Beschlüsse haben durchaus ihren Wert. Sie setzen Druck auf und ärgern die Gegnerschaft einer Legalisierung.

Übersicht

Viel wird rund ums Thema THC diskutiert. Hier die laufenden politischen Projekte:

1 Die Kommissionsinitiative will eine Teil-Revision des Betäubungsmittelgesetzes.

2 Die Subkommission überlegt, ob der Umgang mit THC geändert werden sollte.

3 Die Volksinitiative fordert eine Legalisierung von THC-Produkten und wird letztlich vom Volk entschieden.

4 Die Stadt Bern will einen Versuchsbetrieb für den Verkauf von THC-Produkten prüfen.

5 Schliesslich gibt es eine Fülle von parlamentarischen Vorstössen – hier gibt es von der Forderung nach noch viel härteren Strafen bis zur Forderung nach Legalisierung alle möglichen Varianten.

Wasserfallen gegen Drogen

In der Motion 04.3376 verlangte Kurt Wasserfallen (FDP), dass das Verbot für THC-Produkte klar verankert werden muss. Weiter forderte er, dass die Strafen für den Umgang mit THC-Produkten stark erhöht werden und dass die Abstinenz höher gewichtet werden soll. Kurz: Er wollte mit seiner Motion eine Verschärfung der heute schon repressiven Schweizer Drogenpolitik erreichen.

Fehr will eine differenzierte Betrachtung

Jacqueline Fehr (SP) hielt nichts von dieser Motion und wollte die neue Revision des Betäubungsmittelgesetzes vorbereiten: «Nun, diese nächste Revision steht bereits vor den Türen des Nationalrates. Die vorbereitende Kommission hat die Arbeiten abgeschlossen. Wir haben dabei ein zweistufiges Verfahren verfolgt. Einerseits, in einem ersten Schritt, sollen die mehrheitsfähigen Elemente gesetzlich neu und modern geregelt werden. Das betrifft insbesondere die Verankerung der Vier-Säulen-Politik sowie die Stärkung eines echten Jugendschutzes. Zudem wird diese neue Revision, wie es die SGK unseres Rates vorschlägt, eine gesetzliche Regelung für die medizinische Anwendung von Cannabis vorsehen. In einem zweiten Schritt soll dann anderseits mit Blick auf die eingereichte Hanf-Initiative eine gesetzliche Regelung für den Umgang mit Cannabis gefunden werden, welche die heutige Willkür beendet, Rechtssicherheit bietet und den Jugendschutz verstärkt.» Und sie wirft einen Blick in die Zukunft (siehe dazu auch Legalize it! 33, Seiten eins und zwei): «Nun hat die Eidgenössische Drogenkommission (…) aufgezeigt, wie das Vier-Säulen-Konzept erweitert werden könnte, und zwar durch eine neue Dimension, die Dimension der Konsumintensität. Es gibt risikoarmen Konsum, problematischen Konsum und abhängigen Konsum. (…) Mit diesem Modell sehen wir, dass (…) Cannabis sowohl risikoarm konsumiert werden kann, aber auch problematisch oder abhängig konsumiert werden kann. (…) Mit diesem Modell nähern wir uns also einer tatsächlichen Diskussion über die tatsächliche Gefährdung durch den Konsum einzelner Substanzen.»

Vermot will keine Kriminalisierung

Auch Ruth-Gaby Vermot-Mangold möchte die Diskussion weiterführen: «Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit hat die Arbeit nun abgeschlossen, und wir werden im September über den ersten Teil dieses Betäubungsmittelgesetzes beraten. Die Hanf-Initiative ist eingereicht worden. Sie weist in eine für PraktikerInnen und Fachleute richtige Richtung, auch wenn sie der Bundesrat leider ohne Gegenvorschlag ablehnt. Entkriminalisierung und Jugendschutz sind die Grundforderung. (…) Kriminalisierung greift immer zu kurz. Vielmehr braucht es Prävention, die sich mit den Jugendlichen und ihren vielfältigen Problemen eben wirklich befasst und auseinander setzt.»

Gutzwiller betont die repressiven Teile

Felix Gutzwiller (FDP) mochte seinen Parteikollegen nicht unterstützen: «Die Teilrevision, die jetzt im Rahmen der Kommission aber abgeschlossen ist, bringt ein klares Konzept. Sie bringt die Verankerung der Viersäulenpolitik, bringt aber auch (…) einiges, was den Anliegen hier entgegenkommt (der Motion Wasserfallen, die Redaktion). So wurde auf Antrag eines Kommissionsmitgliedes etwa das Abstinenzziel noch in die Vorlage mit hineingenommen. Es wurden auch gewisse Strafen verschärft. Es gibt eine Verbesserung des Jugendschutzes.» Wir können auf den definitiven Text gespannt sein – vor allem die Verschärfung gewisser Strafen lässt uns mit Sorge auf diese Teilrevision blicken, ebenso das neu aufgenommene Abstinenzziel.

Wieder eine knappe Abstimmung

80 Nationalräte und Nationalrätinnen sprachen sich für die Motion aus, 90 jedoch dagegen. Damit konnte sich Wasserfallen mit seiner Verschärfung nicht durchsetzen. Doch es ist wieder einmal ein knappes Resultat – und es zeigt, dass grosse Kräfte nicht nur gegen jegliche Liberalisierung sind, sondern sogar für eine weitere Verschärfung einstehen. Immerhin konnten sich die reformorientierten Kräfte durchsetzen. Aber ob das für eine Mehrheit für eine vernünftige Teilrevision reichen wird?

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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