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Wieder ein Jahr Repression in Zahlen gefasst: Auch 2014 hat die Hanfverfolgung Zehntausende getroffen. Allerdings sind die Zahlen zum ersten Mal seit langem etwas rückläufig – und die neuen Ordnungsbussen werden kantonal verschieden umgesetzt.
Konsum von Cannabis und alle Vorbereitungshandlungen für den eigenen Konsum (BetmG 19a)
Die Hanfverfolgung in der Schweiz betrifft bei den Konsumierenden seit einigen Jahren jedes Jahr rund 40’000 verschiedene Menschen, denen 50’000 Straftaten (Konsum, sowie Besitz von Hasch und Gras, Anbau, Lagerung, Einfuhr für den Eigenbedarf) vorgeworfen wurden. Das ist auch 2014 im Wesentlichen so gewesen. Allerdings ist 2014 nun der erste vollständige Jahrgang, in dem ein Teil der polizeilich erfassten Übertretungen nicht mehr mit einer Verzeigung (und einer Busse mit Gebühren zwischen 200 und 1’000 Franken), sondern mit einer Ordnungsbusse (einheitlich 100 Franken) enden kann.
Die Statistik zeigt, dass rund ein Drittel der polizeilich geahndeten Hanf-Übertretungen nun mit Ordnungsbussen bestraft wurden (orange Farbe in den Grafiken/Tabellen). Die anderen zwei Drittel wurden nach wie vor verzeigt (in drei verschiedenen Kategorien, die wir in grün dargestellt haben).
34’544 Straftaten rund um Konsum und Vorbereitungshandlungen wurden verzeigt; dies betraf 28’777 Beschuldigte. Diese Verzeigungen teilen sich in drei Kategorien auf: 1) «Konsum», 2) «Anbau/Herstellung» und 3) «Besitz/Sicherstellung». Diese werden jeweils nach Anzahl Beschuldigter und nach Anzahl Straftaten aufgeschlüsselt (aber leider nicht nach Kantonen). Somit haben wir auf der Seite 3 zwei Grafiken dargestellt: Die erste links für die Entwicklung bei den Beschuldigten, die zweite rechts für die Entwicklung nach Straftaten.
Bei beiden weisen wir auch zum ersten Mal die drei Kategorien aus (in grünen Farbtönen), damit man die Veränderungen sieht. Die Ordnungsbussen stellen wir in beiden Grafiken orange dazu. Auch wenn sich die Zahlen so nicht genau vergleichen lassen, geben sie doch einen Eindruck von der Menge und den Verschiebungen von den drei Verzeigungskategorien zu den neuen Ordnungsbussen.
Alle Kantone stellen nun Ordnungsbussen (OB) aus. Allerdings sind die Unterschiede enorm. Zunächst zu den absoluten Zahlen: Knapp 15’000 OB wegen Cannabiskonsums wurden 2014 schweizweit gezählt. Die Tabelle 1 zeigt die Werte der einzelnen Kantone. Zürich, Waadt und St. Gallen stellen zusammen bereits die Hälfte aller OB aus.
Nun setzen wir die Zahlen der OB ins Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse der Kantone, also: Wie viele OB werden pro 1’000 Einwohner erstellt? In der Tabelle 2 finden sich die entsprechenden Angaben. Zug und Waadt können als eigentliche Fans der Ordnungsbussenbestimmungen angesehen werden, während Bern und Basel-Landschaft praktisch keine OB aussprechen.
Aber Achtung: Das bedeutet nun nicht, dass Bern liberaler als Zürich wäre, wie es gewisse Medien dargestellt haben. Sondern nur, dass Zürich ziemlich sicher einen Teil der Verzeigungen durch OB ersetzt hat. Bern hingegen nicht: Dort wird, wie es scheint, genau so verzeigt wie früher.
Bei den Verzeigungen gibt es leider keine Hanf-Aufschlüsselung nach Kantonen. Diese gibt es nur für alle illegalen Betäubungsmittel. Total gab es da 2013 97’289, 2014 dann plötzlich nur noch 80’986 Straftaten zu verzeichnen. Die Lücke von 16’303 stimmt ziemlich genau mit der Höhe der neuen OB überein: Hier gab es ja 14’861.
Auf Kantonsebene kann man das ebenfalls bei vielen Kantonen nachvollziehen: Zum Beispiel weist der Kanton Bern etwa gleich viele BetmG-Verzeigungen wie früher und praktisch keine OB auf, während Zürich tausende Verzeigungen weniger, dafür neu tausende OB erstellt hat. Bei der Waadt sieht es ähnlich aus. Und: St. Gallen hingegen hatte schon früher OB, hier sind die Verzeigungen konstant geblieben. Das sind Indizien, dass einige Kantone so verzeigen wie bisher, andere hingegen einen substanziellen Teil der Verzeigungen durch OB ersetzt haben.
Jede verzeigte Straftat ist eine polizeiliche Intervention, ein Eingriff in das Privatleben eines Menschen. In diesem Sinne kann man die OB gut zu den verzeigten Straftaten hinzuzählen.
Will man aber ungefähr wissen, wie viele unterschiedliche Menschen von der Cannabiskonsumrepression betroffen wurden, dann muss man die OB eher zu den Beschuldigten dazuzählen, auch wenn die Zahl der Beschuldigten so immer noch etwas zu hoch ausgewiesen wird (weil einzelne wohl durchaus in einem Jahr eine Verzeigung und eine OB erhalten haben, was aber so nicht aufgeschlüsselt wird).
Auf alle Fälle hat die erste Verzeigungskategorie «Konsum» 7’151 Beschuldigte bzw. 8’666 Straftaten verloren und die dritte «Besitz/Sicherstellung» 6’851 Beschuldigte bzw. 7’895 Straftaten. (Die zweite Kategorie Anbau/Herstellung ist ungefähr gleich geblieben und hat eh sehr wenige Einträge.) Das ergibt einen Rückgang der Beschuldigten um knapp 14’000 und der verzeigten Straftaten um etwa 16’500. Dies sehen wir in der Grafik am deutlichen Rückgang der grünen Balken.
Die (neuen) OB sind aber «nur» um 12’663 gestiegen. Damit ist die Verfolgungsintensität zum ersten Mal seit langem etwas, um etwa 1’500 Beschuldigte und rund 4’000 Straftaten, gesunken (und nicht gestiegen, wie man meinen könnte, wenn man nur die Veränderung der ersten Verzeigungskategorie «Konsum» mit den OB vergleicht, wie es die NZZ getan hat). OB werden eben auch für blossen Besitz gegeben (auch wenn das vom Gesetz her ausgeschlossen ist).
Übrigens: Es gibt ja durchaus auch Verzeigungen wegen Hasch und Gras. Diese landen dann in einer Kategorie «Mehrere Substanzen». Doch darin kommen alle Substanzen vor. Nur für die erste Kategorie «Konsum» wird eine Aufschlüsselung ausgewiesen: Dort sind es nochmals 1’156 reine Hanf-Hanf-Fälle pro Jahr. Über alle drei Kategorien hochgerechnet dürften das gegen 2’000 weitere reine Hanfkonsumfälle pro Jahr sein: Unsere Grafiken zeigen also tendenziell zu tiefe Zahlen an. Aber die Grössenordnung ist klar: Es geht um zehntausende Fälle pro Jahr.
Weitergabe sowie Verkauf von Cannabis (BetmG 19)
Die Hanfverfolgung in der Schweiz betrifft beim Verschenken und Verkaufen von illegalen Hanfprodukten seit einigen Jahren jedes Jahr rund 6’000 bis 8’500 verschiedene Menschen, denen 7’000 bis 9’500 Straftaten (Weitergabe oder Verkauf von Hasch und Gras, Anbau, Lagerung, Einfuhr fürs Verschenken oder Verkaufen) vorgeworfen wurden. Das ist auch 2014 im Wesentlichen so geblieben: 7’879 Beschuldigte wurden gezählt, denen 8’804 Straftaten vorgeworfen wurden. (Wir führen in den beiden Grafiken nur die Beschuldigten auf; die Straftaten sind einfach um etwa 700 bis 1’000 Fälle pro Jahr höher.)
Vergehen werden in zwei Bereiche unterteilt: «Leichter Fall» (Verschenken und Handel bis ein paar tausend Franken) und «schwerer Fall» (Umsatz über 100’000 Franken oder Gewinn von 10’000 Franken, mindestens 12 Monate Freiheitsstrafe). Die meisten Vergehensverfolgungen betreffen den «leichten Fall». Hier ist die Anzahl Beschuldigter von 2013 auf 2014 von 8’046 auf 7’329 gesunken. Bei den «schweren» Fällen ist die Anzahl verzeigter Personen praktisch gleich geblieben: Sie stieg von 536 auf 550 Personen.
Hier muss man allerdings sehen, dass dies Verzeigungen bzw. verzeigte Personen eines Jahres sind. Wie viele und welche Urteile dann daraus resultieren, liefert uns die Statistik nicht. Sie erfasst eben nur die polizeilichen Verzeigungen. Bei den Konsumfällen dürfte die Zahl der Verzeigungen ungefähr auch den effektiv ausgestellten Bussen entsprechen. Bei den Vergehen, vor allem beim schweren Fall, kann es aber Monate bis Jahre dauern, bis ein Urteil rechtskräftig geworden ist. Ausserdem gibt es immer wieder Fälle, bei denen jemand wegen eines Vergehens verzeigt wird, dann aber, weil nicht beweisbar, doch «nur» wegen einer Übertretung verurteilt wird.
Deshalb: Diese Zahlen geben nicht die Anzahl Urteile an, sondern die Zahl der von der polizeilichen Repression in diesem Bereich Betroffenen.
Bei den Konsumhandlungen können wir nun keine Aufteilung nach Hasch und Gras vornehmen, weil diese Angaben bei den Ordnungsbussen nicht erfasst werden.
Bei den Vergehen hingegen ist dies immer noch möglich. Wir sehen, dass es sehr viel mehr Verzeigungen wegen Gras (2014: 7’259 Beschuldigte) als wegen Hasch (2014: 620 Beschuldigte) gibt. Unsere Kategorie «Hasch» umfasst die Statistikkategorien Haschisch und Haschischöl sowie die neue Kategorie «Synthetische Cannabinoide». Unsere Kategorie «Gras» enthält Cannabis, Hanf (Jungpflanze), Hanf (Pflanze getrocknet), Hanf (Pflanze frisch), Marihuana und Hanfsamen.
Bundesamt für Statistik, Polizeiliche Kriminalstatistik, Jahresberichte 2009 bis 2014: Tabelle der Verzeigungen nach Substanz und Tabelle der Ordnungsbussen (nur für 2013 und 2014), sowie Bevölkerungszahlen aus der Statistik 2013. Grafiken und Berechnungen durch uns.
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