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Die politische Situation im Herbst 2018

Eine ganze Schwemme von politischen Hanf-Vorstössen ist zu verzeichnen: Experimentierartikel, Cannabis als Medizin, ein neues Hanfgesetz und unser Projekt Initiative. Wir bringen eine Übersicht über den aktuellen Stand.

Die Verfolgung läuft...

Real ist in der Schweiz die Repression, also die strafrechtliche Verfolgung der Handlungen rund um THC-haltige Produkte. Parallel läuft seit Jahrzehnten die Diskussion über einen anderen, sinnvolleren Umgang mit Hanf. Gerade in der letzten Zeit häufen sich die politischen Vorstösse (wieder).

...auch wenn viel geredet wurde

Wir erinnern uns: Um die Jahrtausendwende fanden ebenfalls intensive Diskussionen zu einer Entkriminalisierung von Hasch und Gras statt. Der Nationalrat beerdigte diese 2004. Übrig blieben die Ordnungsbussen für Konsum von Cannabis (für Erwachsene) und eine minimale Öffnung im Bereich von Hanf als Medizin. Im Strassenverkehr wurden die Zwangsmassnahmen sogar stark ausgebaut.

Internationale Entwicklung irrelevant

Eine wirkliche Verbesserung der Lage, von der Legalisierung des Konsums bis zum Aufbau eines regulierten Hanfmarktes, blieb Wunschdenken. Selbst als international real viel passierte: Uruguay, einige Bundesstaaten der USA und dann Kanada führten verschiedene Legalisierungsvarianten ein. Doch bei uns läuft die Repression unbeirrt weiter.

Und nun wieder: viele Vorstösse, Artikel, Diskussionen. Die nächste Doppelseite gibt einen Überblick per Ende August 2018. Weitere Vorstösse sind angekündigt. Alle werden bekämpft von den Prohibitions-BefürworterInnen, wie eh und je.

Was macht die Lage so verzwickt?

Eigentlich ist es ähnlich wie 2004, das ist der erste Grund. Damals war der Nationalrat die Hürde, die einfach nicht genommen werden konnte. Der Bundesrat war für eine Lockerung im Umgang mit THC, der Ständerat ebenso, aber der Nationalrat wollte vom Geschäft nichts wissen und beerdigte eine lange Diskussionsphase, die im Februar 1996 mit dem Bericht der Expertenkommission für die Revision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) gestartet worden war.

Wiederholt sich das ewig?

Nun hat sich etwas Ähnliches ereignet, wenn auch auf viel tieferem Niveau. Die Stadt Bern hatte ja ein Gesuch für ein Abgabeprojekt von Cannabis durch die Uni Bern beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) einreichen lassen. Doch dieses wurde Ende 2017 abgelehnt, die heutige Gesetzeslage lasse einen solchen Versuch nicht zu. Innert kurzer Zeit wurden fünf (!) inhaltsgleiche Motionen im Parlament eingereicht, die einen dafür nötigen Experimentierartikel forderten: eine im Ständerat und vier im Nationalrat. Die erste (die aus dem Ständerat) ist nun durch alle Beratungen durch und der Nationalrat hat sie – abgelehnt. Obwohl vier Motionen des Nationalrates sowie seine zuständige Kommission dafür sind (es folgen also noch weitere Abstimmungen zum gleichen Thema).

Abgelehnt – und doch gehts weiter

Gleich nach dieser Ablehnung hat der Bundesrat einen detaillierten Vorschlag für einen solchen Experimentierartikel (nötige BetmG-Änderung samt zugehöriger Verordnung) in die Vernehmlassung geschickt. Diese läuft bis 25. Oktober 2018. Es kann also noch viel diskutiert werden und ich bin gespannt, ob sich der Nationalrat doch noch wenigstens für solche Cannabis-Pilotversuche erwärmen kann. Dazu müsste er die Motionen seiner Mitglieder annehmen bzw. dem bundesrätlichen Vorschlag folgen. Oder versenkt er das Geschäft auch in den folgenden Abstimmungen und bleibt die grosse Bremse gegen jegliche Entwicklungen im Hanfbereich?

Der Vorschlag des Bundesrates ist sehr detailliert und grenzt die Möglichkeiten strikt ein. Gültig wäre die Gesetzesänderung für 10 Jahre. Erforscht werden könnte in dieser Zeit etwa die Gesundheit der KonsumentInnen, das Konsumverhalten oder der Drogenmarkt einer Region. Die Versuche müssten begrenzt sein auf einzelne Gemeinden, 5 Jahre (evtl. bis zu 7 Jahre), höchstens 5’000 Personen pro Versuch, Produkte mit maximal 20 % THC und eine Abgabe von höchstens 10 Gramm THC pro Person und Monat. Konsum in der Öffentlichkeit wäre nicht erlaubt und das Strassenverkehrsgesetz bliebe uneingeschränkt gültig. Es müssten Tabaksteuern entrichtet werden und teilnehmen könnten nur bisherige, volljährige KonsumentInnen, die nicht schwanger sind oder stillen sowie keine psychischen Krankheiten aufweisen und keine Psychopharmaka einnehmen.

Es herrscht Verwirrung

Der zweite Grund: Die Ignoranz ist halt sehr gross. Was das BetmG bedeutet, wie die Repression läuft: Da geistern viele Meinungen durch die Köpfe. Aber wirklich anschauen mag das kaum jemand. Es ist auch unschön, eines Rechtsstaates unwürdig, schlicht peinlich: das Ignorieren der straffreien geringfügigen Menge, die Hausdurchsuchungen bei Samenbestellungen für den Eigenanbau, die absurden THC-Werte im Strassenverkehr, das sture Bestrafen ohne Verhältnismässigkeit. Dass die Verfolgung keinen Effekt auf den Schwarzmarkt als Ganzes hat, weiss auch die Polizei. Trotzdem macht sie einfach weiter. Ein Dealer wird durch den nächsten ersetzt, eine Anlage durch eine neue – es gibt keine Verknappung, keine Verteuerung. Aber die Folgen des Schwarzmarktes bleiben: ungeprüftes Material, unversteuerte Gewinne und Kriminalisierung von zehntausenden KonsumentInnen jedes Jahr.

Dennoch: Die meisten hoffen, dass das Verbot Konsum verhindert. Tja, hofft mal weiter, aber beschwert euch dann nicht über die Auswüchse krimineller Drogenszenen!

Gibt es einen gemeinsamen Nenner?

Der dritte Grund: Die BefürworterInnen ei­ner Änderung müssten sich angesichts der knappen politischen Verhältnisse wirklich zusammenraufen und alle hinter einem Vorschlag stehen (können). Bei den Details kann man lange diskutieren (Begriff Legalisierung oder Regulierung?, maximaler THC-Gehalt?, Besteuerungshöhe?, Werbung ja/ nein? u. v. a. m.). Ausserdem müssten alle wirklich hart und zusammen arbeiten wollen. Denn Fakt ist: Selbst so etwas Kleines und Harmloses wie ein Cannabis-Pilotversuch ist nach der letzten Abstimmung im Nationalrat ziemlich gefährdet. Für eine echte Änderung braucht es also viele Ressourcen und einen langen Atem.

Nun, immerhin wird diskutiert. Den Stand Ende August 2018 fassen wir in den folgenden vier Punkten zusammen.

Versuche

Cannabis-Pilotversuche: Wissenschaftliche Forschung über den Freizeitkonsum von Hanf, mit Abgabe von Hanf

Nach dem Scheitern der grossen BetmG-Revision 2004 wollten die Städte Abgabeprojekte durchführen. Die Diskussionen darüber dauern nun bereits über 10 Jahre. Bern hat einen Versuch eingereicht, der aber durch das BAG abgelehnt wurde (we­gen fehlender rechtlicher Grundlage).

Ein Experimentierartikel im BetmG soll nun die Grundlage für Pilotversuche mit Cannabis schaffen. Dies fordern fünf gleichlautende Motionen aus dem Parlament. Eine aus dem Ständerat: Motion 17.4210 Roberto Zanetti (SP) Sowie vier aus dem Nationalrat: Motion 17.4111 Regine Sauter (FDP) Motion 17.4112 Angelo Barrile (SP) Motion 17.4113 Regula Rytz (Grüne) Motion 17.4114 Kathrin Bertschy (GLP) Dazu gesellt sich eine Initiative der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N): Kommissionsinitiative 18.402 SGK-N

Der Ständerat nahm im März 2018 die Motion Zanetti an. Auch die SGK-N stimmte dieser im Mai 2018 zu. Doch der Nationalrat lehnte sie im Juni 2018 ab: 96 Nein, 93 Ja, 2 Enthaltungen. Damit ist diese erledigt. Die anderen Vorstösse wurden noch nicht behandelt.

Ausserdem hat der Bundesrat eine detaillierte Vorlage für Pilotversuche mit Can­nabis (BetmG-Änderung und Verordnung dazu) bis 25.10.18 in die Vernehmlassung geschickt. Nach der Auswertung könnte der Bundesrat dieses Geschäft ins Parlament bringen (vielleicht 2019).

Medizin

Cannabis als Medizin: Erleichterung der Abgabe von Hanf als Heilmittel, auch in Form von Blüten

Wer THC-haltige Medikamente konsumieren will oder muss, hat es schwer. Denn dafür braucht es Sonderbewilligungen. Das macht es für ÄrztInnen sehr aufwändig, und so geschieht es auch nur selten. Es gibt nur THC-Tropfen, Blüten sind nicht erhältlich, die Kosten sind hoch und werden von den Krankenkassen nicht zwingend übernommen. Die Motion 14.4164 «Cannabis für Schwerkranke» der damaligen Nationalrätin Margrit Kessler (GLP) wurde von National-und Ständerat 2015 angenommen – geändert hat sich allerdings nichts.

Die SGK-N hat nun mit der Motion 18.3389 vom Mai 2018 nachgehakt: «Ärztliche Abgabe von Cannabis als Medikament an chronisch Kranke. Tiefere Gesundheitskosten und weniger Bürokratie.» Die Abstimmung ergab 21 Ja, 0 Nein, 3 Enthaltungen – in diesem Bereich könnte also etwas möglich werden. Am 19.9.18 ist diese Vorlage im Nationalrat traktandiert. (Dafür wurde die parlamentarische Initiative 17.439 von Nationalrat Thomas Ammann (CVP) vom Mai 2017 zurückgezogen.)

Der Bundesrat ordnete im Juli 2018 Abklärungen an: Cannabisblüten als Alternative zu Cannabistinkturen oder synthetisiertem Cannabis sowie eine Klärung der Übernahme der Kosten. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) muss nun bis Sommer 2019 einen Vernehmlassungsentwurf erarbeiten, der den Zugang zu Medizinalcannabis erleichtern soll. Nach der Vernehmlassung könnte der Bundesrat dieses Geschäft dann ins Parlament bringen (wohl kaum vor 2020).

Hanfgesetz

Neues Hanfgesetz: Grundsätzliche Legalisierung wie bei Alkohol und Ta­bak, mit eigenen Regulierungen

Am besten wäre, wenn das Parlament Cannabis aus dem BetmG nehmen, in einem eigenen Hanfgesetz versorgen und so etwas Ähnliches wie das Alkoholgesetz schaffen würde. Doch bisher scheiterten alle Versuche am Nationalrat. Nur die Ordnungsbussen für Cannabiskonsum passierten diesen Rat, wenn auch sehr knapp. Eine wirkliche Entkriminalisierung hat es hier sehr schwer.

Mit der parlamentarischen Initiative 17.440 «Bundesgesetz zur Hanfregulierung (Neues Schweizer Hanfgesetz)» von Nationalrätin Maya Graf (Grüne) wurde ein neuer Anlauf genommen. Das Ziel ist, die Hanf-Prohibition durch einen legalen Umgang mit spezifischen Regulierungen zu ersetzen.

Doch schon bei der SGK-N fiel die Vorlage durch: Mit 14 Nein gegen 11 Ja wurde sie im Mai 2018 abgelehnt. Da bleibt nicht viel Hoffnung, dass es im Nationalrat zu einem besseren Resultat kommt: Die SGK-N ist, wie wir gesehen haben, doch noch einiges offener als der Nationalrat.

(Übrigens hat auch das Jugendparlament eine ähnliche Forderung gestellt: 16.2016 Regulierte Entkriminalisierung des Cannabiskonsums vom November 2016.)

Ausserdem hat Nationalrat Heinz Siegenthaler (BDP) die Motion 18.3150 «Gleichbehandlung von Cannabis und hochprozentigem Alkohol» im März 2018 eingereicht, die bisher aber noch nicht behandelt wurde.

Aus GLP-Kreisen wurde im Juli 2018 noch ein weiterer entsprechender Vorstoss angekündigt.

Initiative

Hanf-Initiative: Verfassungsinitiative zur Einführung einer Grundlage für ein Hanfgesetz

Als Reaktion auf das Nein des Nationalrates 2004 wurde die letzte Hanf-Initiative gestartet. Im November 2008 kam sie zur Abstimmung, der Ja-Anteil erreichte 36.7 %. Seither sind nun bald 10 Jahre vergangen. Da könnte man diesen Weg vielleicht auch wieder einmal wagen? Wenn das Parlament es nicht schafft, eine vernünftige Lösung zu verabschieden, dann könnten dies vielleicht die Stimmberechtigten anstossen?

Doch es ist eine grosse Arbeit, 100’000 Unterschriften zu sammeln und zu beglaubigen. Eine noch grössere Arbeit folgt sogleich, wenn man einen vernünftigen Abstimmungskampf führen will. Die wenigsten Initiativen werden angenommen und selbst wenn, dann muss doch das Parlament eine Ausführungsgesetzgebung dazu beschliessen – die manchmal nur wenig mit dem Inhalt der Volksinitiative zu tun hat.

Eine Initiative kann eine öffentliche Diskussion zum Thema erzwingen (wenn man die Sammlung schafft). Doch für eine gute Kampagne braucht es viel Geld, aktive Menschen – und diese müssen auch etwas Gemeinsames wollen, sich in den zentralen Fragen einer Legalisierung einig sein. Kein einfaches Unterfangen!

Das hat auch unsere Arbeitsgruppe Initiative feststellen müssen: Die einen wollen nur mitmachen, wenn schon viel Geld da ist. Andere sind zwar dafür, wollen sich aber nicht öffentlich engagieren. Schliesslich gibt es auch die, die lieber noch einige Zeit über den Text diskutieren würden.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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