Do you speak English? → Go to our English page!
Seit 2013 können Ordnungsbussen für Cannabis-Konsum ausgestellt werden. Die Kantone wenden die Bestimmungen unterschiedlich an, was eine sehr unübersichtliche Situation erzeugt hat. Und: Verzeigungen gibt es immer noch!
Seit Oktober 2013 ist es in der Schweiz gesetzlich möglich, polizeilich beobachteten Cannabiskonsum mit einer Ordnungsbusse (OB) zu bestrafen (à 100 Franken).
Doch die Strafverfolgung ist Sache der Kantone, was zu enormen Unterschieden bei der Anwendung geführt hat. Jeder Kanton muss festlegen, welche Behörden genau OB ausstellen dürfen (z. B. Kantons-, Stadt-, Regional-, Verwaltungs-, Transportpolizei, Grenzwachtkorps; nur uniformierte oder auch zivile Beamte). Es gibt verschiedene Behörden und wer keine OB verteilen darf, muss weiterhin verzeigen.
Ein krasses Beispiel: Der Kanton Zürich hat etwa 1.4 Mio. EinwohnerInnen, der Kanton Bern rund 1 Mio. Also müsste Bern rund zwei Drittel so viele OB geben wie Zürich. Doch stattdessen gibt es in Bern fast gar keine OB. Zudem ist in Zürich die Anzahl OB massiv gesunken, in Bern gleich geblieben:
Kanton | 2016 | 2017 | 2018 |
---|---|---|---|
Zürich | 4286 | 3053 | 915 |
Bern | 203 | 196 | 203 |
Gewaltige Unterschiede also!
Ende letzten Jahres wurde uns klarer, wieso es solch krasse Unterschiede gibt.
⇒ Im Kanton Bern dürfen nur uniformierte PolizistInnen Ordnungsbussen ausstellen. Man muss also quasi mit dem Joint in uniformierte Beamte laufen, damit man eine Ordnungsbusse erhält. Zivile Beamte dürfen keine Ordnungsbussen ausstellen, also müssen diese die betroffene Person normal verzeigen.
⇒ Im Kanton Zürich wurden früher OB auch für den blossen Besitz einer straffreien geringfügigen Menge Cannabis erteilt (bis 10 Gramm). Das war gesetzeswidrig, denn OB können nur für beobachteten Konsum ausgesprochen werden, nicht für Besitz. Da hat das Bundesgericht Ende 2017 (wir haben im LI79 berichtet) für Klarheit gesorgt: straffrei bedeutet eben straffrei. Nun scheinen sich viele Kantone damit abgefunden zu haben. Sie geben für diesen Kleinstbesitz keine OB und erstellen auch keine Verzeigung mehr. Das Material wird aber, wie es aussieht, überall eingezogen und vernichtet.
Eigentlich wollte ich hier eine Gesamtübersicht über alle Kantone und alle Behörden erstellen, welche Polizeien nun OB ausstellen dürfen. Doch ich habe es nicht geschafft. Es sind einfach zu viele und in jedem Kanton gibt es wieder andere Bestimmungen.
Eine ähnliche Entwicklung wie in Zürich gab es in diesen Kantonen:
Kanton | 2016 | 2017 | 2018 |
---|---|---|---|
Genf | 2405 | 2264 | 629 |
Wallis | 955 | 1426 | 608 |
Freiburg | 981 | 874 | 479 |
Aargau | 1163 | 403 | 358 |
Waadt | 3110 | 3287 | 284 |
Luzern | 799 | 547 | 299 |
Hier können wir davon ausgehen, dass OB nun wirklich nur für beobachteten Konsum erteilt werden, nicht (mehr) auch für den Besitz einer straffreien Menge ohne Konsum. Die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene auch nicht mehr verzeigt werden, ist ziemlich gross, sonst hätte die Anzahl Verzeigungen massiv zunehmen müssen – was aber 2018 nicht geschehen ist (siehe Artikel und Grafiken auf den nächsten Seiten). Es bleiben aber einige Fragezeichen bestehen. In folgenden Kantonen blieb die Anzahl OB entgegen dem Trend praktisch konstant:
Kanton | 2016 | 2017 | 2018 |
---|---|---|---|
St. Gallen | 1280 | 1385 | 1171 |
Tessin | 733 | 969 | 859 |
Wie diese Kantone genau vorgehen, ist unklar. Zudem ich, während ich das schreibe, einen Betroffenen aus St. Gallen am Telefon habe, bei dem der Besitz von rund 5 Gramm Cannabis eine Strafe inkl. Gebühren von 1’700 Franken zur Folge hatte (der Ausgang dieses Falles ist zurzeit noch offen).
Vor einigen Jahren gab es Diskussionen, um ein eigenes Ordnungsbussengesetz (OBG) zu schaffen, das nicht nur für die lange Liste der Strassenverkehrs-OB zuständig ist, sondern für alle OB.
Nun werden auf den 1.1.20 die OB aus dem BetmG (Artikel 28b bis 28l) herausgenommen und im neuen OBG bzw. der neuen Ordungsbussenverordnung (OBV) geregelt. Dieses Geschäft ist schon länger beschlossen (wir haben im LI77 berichtet), aber die Kantone, die diese Bestimmungen dann umsetzen müssen, benötigten einige Vorbereitungszeit für diese Umstellung.
Im OBG ist festgehalten, dass OB nur für Übertretungen aus zehn aufgeführten Gesetzen erteilt werden können, darunter das BetmG.
OB dürfen von Polizeiorganen und Behörden ausgesprochen werden, die von den Kantonen als zuständig bezeichnet worden sind. Es kann also weiterhin Unterschiede zwischen den Kantonen bei der Anwendung der OB-Vorschriften geben. Immerhin: Im neuen OBG steht nur, dass sich die Beamten gegenüber der beschuldigten Person ausweisen müssen – von einer Uniformpflicht steht nichts. Sie müssen die Widerhandlung selber festgestellt haben (bisher: beobachtet).
Während OB im Allgemeinen Beschuldigten ab 16 Jahren gegeben werden können, wird im OBG festgehalten, dass OB für Widerhandlungen gegen das BetmG nur für Erwachsene möglich sind. Jugendliche werden wie bisher immer verzeigt.
Die konkreten Tatbestände und Ordnungsbussenbeträge sind in der OBV festgelegt, das BetmG findet sich im Anhang 2, im VIII. Kapitel. Unter der OB-Nr. 8001 heisst es:
«Unbefugter vorsätzlicher Konsum von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis (Art. 19a Ziff. 1 BetmG) ⇒ 100 Franken»
Wir werden sehen, ob sich die Kantone ab 2020 dazu durchringen, Cannabiskonsum generell mit einer OB zu bestrafen und ob dies auch nicht-uniformierte Beamte überall tun dürfen.
Auf alle Fälle sollte niemand meinen, dass man zwingend eine OB für Cannabiskonsum erhält, wenn man erwischt wird. Es sollte so sein, aber die Behörden können (und werden wohl auch, wie die Vergangenheit gezeigt hat) verschieden vorgehen – und dann kann es schnell zu einer Verzeigung kommen. Daher sollten Betroffene immer damit rechnen, dass es eine Einvernahme geben kann. Mit den damit verbundenen Problemen sollten sich Konsumierende im Vorfeld vertraut machen! Weiteres: hanflegal.ch/verzeigung
Nichts mehr verpassen! Folge uns auf Social Media: