Neuer THC-Grenzwert im Strassenverkehr?

Ein Bericht skizziert die Situation des THC-Grenzwerts im Strassenverkehr und arbeitet drei Lösungsansätze für die Grenzwertproblematik aus. Doch ein Bericht ist noch kein neuer Umgang. Dafür muss einiges an Druck erzeugt werden, wofür auch wir einen Beitrag leisten wollen.

Vorgeschichte des Berichts

Dem Jahresbericht 2018 des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Basel (IRM Basel) konnte man entnehmen, dass dieses eine grössere Ausschreibung mit mehreren Teilprojekten des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zu cannabisspezifischen Projekten gewonnen hatte. Was genau geplant war, wurde dann erstmals im August 2019 klar, als Markus Jann, damaliger Leiter Sektion Drogen des Bundesamts für Gesundheit in der NZZ am Sonntag verkündete, dass die Situation des THC-Grenzwerts im Strassenverkehr «rechtlich unbefriedigend» sei und in der SRF-Tagesschau kurz darauf nachschob, dass das Bundesamt für Gesundheit herausfinden will, «wo bei ­Cannabis die Grenze zur berauschenden Wirkung liegt».

Die Situation in der Schweiz

In einer Verordnung des heutigen Strassenverkehrsgesetzes, das seit dem 1. Janu­ar 2005 in Kraft ist, wurde seinerseits festgehalten, dass «Tetrahydrocannabinol (Cannabis) im Blut nachgewiesen zur Fahrunfähigkeit führt». Dafür wurde ein fixer THC-Grenzwert von 1.5 µg/Liter Vollblut festgelegt («µg» be­deutet Mikrogramm, also ein Millionstel Gramm), welcher mit einer Toleranz von 30% zu einem fakti­schen Grenzwert von 2.2µg/Liter Vollblut führt, ab dem die Fahrunfähigkeit bewiesen ist. Dieser Grenzwert ist ein ­reiner Analysewert, das heisst, er sagt wenig über die «Bekifftheit» einer Person aus. Da THC im Körper einer Person viel länger nachweisbar ist, als es wirkt, führt das dazu, dass mit diesem Grenzwert Konsumierende sehr lange als fahrunfähig eingestuft werden. Der Verein Legalize it! fordert darum schon lange, dass ein Grenzwert ­ermittelt werden muss, der mit der konkreten Beeinträchtigung zu tun hat – und nicht einfach ein Analysewert genommen werden darf.

Darum geht es im Bericht

Ein Team des IRM Basel hat nun in einem im Dezember 2020 erschienenen Bericht die Situation von THC-Grenzwerten auf der ganzen Welt verglichen und für die Schweiz drei Lösungsansätze ausgearbeitet. ­Anhand dieser Recherche, wonach sich erste Zeichen einer Beeinträchtigung ab ca. 1 bis 2.5 µg/Liter THC im Vollblut ergeben, und Einschränkungen entsprechend einer Blutalkoholkonzentration von 0.5‰ bei ca. 3.0 bis 4.1 µg/Liter THC im Vollblut beginnen, präsentiert der Bericht folgende drei ­Lösungsansätze:

⇒ Variante 1: Nulltoleranz und damit ein analytischer Grenzwert von 1.5 µg/Liter THC im Vollblut wird beibehalten. Damit ist bei einer Toleranz von 30% die Fahrunfähigkeit ab einer THC-Konzentration von 2.2 µg/Liter Vollblut erwiesen.

⇒ Variante 2: Der Grenzwert wird auf einen Risiko-Grenzwert von 3 µg/Liter THC im Vollblut angehoben. Damit werden diejenigen Lenker belangt, die tatsächlich messbare Beeinträchtigungen aufweisen. Unter der Berücksichtigung einer Toleranz von 30% gilt die Fahrunfähigkeit ab einem Wert von 4.3 µg/Liter THC im Vollblut als erwiesen.

⇒ Variante 3: Es wird ein mehrstufiges ­System mit zwei Grenzwerten, 2.2 µg/Liter THC im Vollblut und 4.3 µg/Liter THC im Vollblut umgesetzt (inkl. Toleranz von 30%). Ab dem oberen Grenzwert gilt die Fahrunfähigkeit als erwiesen und es erfolgt eine Zuweisung zur Fahreignungsabklärung. Für den Bereich zwischen den Grenzwerten können Administrativmassnahmen umgesetzt werden. Bei Mischkonsum mit Alkohol gilt die Fahrunfähigkeit jedoch ­bereits ab dem unteren Grenzwert, und es erfolgt eine Abklärung der Fahreignung.

Wir sehen: Variante 1 würde nichts am ­jetzigen System ändern, Variante 2 würde den THC-Grenzwert anheben und Variante 3 wäre etwas dazwischen.

Was der Bericht bedeutet

Grundsätzlich ist der Bericht zunächst eine Situationsanalyse, die Vorschläge sind nicht in irgendeiner Form zur Über­prüfung verpflichtend. Der Bericht hält denn auch fest, dass das zuständige Bundesamt für Strassen (ASTRA) einer Überprüfung der heutigen Regel «eher kritisch» gegenübersteht. ASTRA-Sprecher Thomas Rohrbach ergänzt im bis jetzt einzigen Medien­artikel, der zu diesem Bericht erschienen ist (Tagesanzeiger, Dezember 2020), dass das ASTRA eine Überprüfung eventuell zwar doch für «denkbar» hält, aber drei Punkte für wichtig erachtet: Anders als bei Alkohol sei bei Cannabis noch nicht ­genügend erforscht, wie dessen Konsum in den unterschiedlichen Formen und Mengen auf die einzelnen Menschen genau wirke. Überdies fehle bei Cannabis eine klare ­Deklaration des THC-Gehalts. Im ­Gegensatz zum Alkohol könne die THC-Konzentration nicht auf den Zeitpunkt der Fahrt zurückgerechnet werden, das sei aber nötig, weil die Entnahme der Blutprobe unter Umständen erst Stunden nach der Fahrt erfolgen könne.

Es wird klar: Wenn es in dieser Frage vorwärtsgehen soll, dann muss politischer Druck erzeugt werden. Darum ist es wichtig, dass sich Menschen, denen die Interessen von THC-Konsumierenden am Herzen liegen, organisieren und damit auch den Druck erhöhen.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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