Einschätzung THC-Genuss: risikoarm, risikoreich, abhängig?

Wir haben die «Nationale Strategie Sucht» angeschaut, um die Sichtweise der Suchtfachleute in Bezug auf THC-Konsum einschätzen zu können. ­Während der risikoarme Genuss keine Eingriffe erfordert, soll risikoreicher oder gar abhängiger Konsum eingedämmt werden.

Wenn Cannabis irgendwann in der Schweiz legalisiert wird, heisst das nicht, dass dann keinerlei Grenzen mehr gesetzt sind! Wie bei anderen legalen Substanzen (Alkohol, Tabak) gibt es Verhaltensweisen, die ­gesellschaftlich akzeptiert sind und solche, die unerwünscht sind. In der Schweiz hat das BAG im Auftrag des Bundesrates die «Nationale Strategie Sucht» (hanflegal.ch/nss) ausgearbeitet, die vom Bundesrat im November 2015 ­verabschiedet wurde und seit 2017 bis ­mindestens 2024 mit vielen Partnerinnen und Partnern konkretisiert und umgesetzt wird. Die Ziele der Nationalen Strategie Sucht beinhalten:

  • Verhinderung des Einstiegs in einen ­problematischen Konsum
  • frühzeitige Unterstützung gefährdeter Personen
  • Hilfe zum kontrollierten Konsum oder zum Ausstieg

Lobenswert finden wir, dass auch Menschen, die nicht in der Lage sind, ihren Konsum einzuschränken oder ihr Verhalten zu ändern, Unterstützung zur Risiko- und Schadensminimierung erhalten sollen. Doch welche Risiken sind gemeint, und was versteht man unter «problematischem Konsum»?

Die Nationale Strategie Sucht unterscheidet Konsummuster und Verhaltensweisen nach ihrer Intensität und den damit ­verbundenen Risiken:

1. Risikoarmes Verhalten (die meisten Konsumierenden): Es besteht keine Gefährdung für sich und andere, oft Teil des ­gesellschaftlichen Zusammenlebens.

2. Risikoverhalten (manchmal auch ­«risikoreiches Verhalten» oder «proble­matischer Konsum» genannt, nur manche Konsumierende): führt zu körperlichen, psychischen oder sozialen Problemen oder Schäden für die einzelne Person oder ihr Umfeld. Hier werden drei Verhaltens­muster unterschieden: a. Exzessives Verhalten: übermässiges ­Wiederholen oder Konsum grosser ­Mengen ­innerhalb kurzer Zeitperiode (z. B. Rauschtrinken). b. Chronisches Verhalten: regelmässig auftretender erhöhter Konsum über einen ­längeren Zeitraum. c. Situations-unangepasstes Verhalten: Konsum in Situationen, in denen man sich oder andere dadurch gefährdet. Hierunter fällt beispielsweise Fahren in ­angetrunkenem Zustand, Konsum während der Schwangerschaft, bei der Arbeit/ Ausbildung oder beim Sport, Konsum im hohen Alter, High sein beim Vorstellungsgespräch, Geldspiel trotz bestehender ­Verschuldung, Mischkonsum von Medi­kamenten und Alkohol, Konsum trotz ­Minderjährigkeit oder in Anwesenheit von Minderjährigen.

3. Sucht (manchmal auch «abhängiger Konsum» genannt): zwanghaftes Verhalten trotz schwerwiegender negativer gesundheitlicher und sozialer Folgen für den ­betroffenen Menschen und sein Umfeld. Medizinisch gesehen eine Krankheit, in der Fachwelt spricht man von Substanzmissbrauch oder Abhängigkeit.

Diese Unterscheidung wirkt zunächst ­vernünftig, doch in der Realität stösst man derzeit auf deutlich simplere Regelungen. Im Strassenverkehr begründet bereits dreimal Konsum pro Woche «Verdacht auf Drogensucht» mit harten Konsequenzen (siehe hanflegal.ch/autofahren)! Hier sehen wir einen Widerspruch zwischen Status quo und erklärten Zielen der Nationalen Strategie Sucht. Der Verein Legalize it! fordert:

  • dass die konkrete Beeinträchtigung ­untersucht wird, statt einfach einen THC-Nachweisgrenzwert zu nehmen.
  • dass die Nationale Strategie Sucht im Hinblick auf den Strassenverkehr umgesetzt wird, das heisst nuancierte Sichtweisen und niederschwellige Hilfsangebote statt teurer Rechtsprobleme.

Gerade beim Thema Führerausweis sehen wir, dass es entscheidend ist, wer diese ­Kategorien wie definiert und festlegt, was mit Menschen geschieht, die in einer «problematischen» Kategorie landen. Diese Thematik müssen wir im Auge behalten. Denn eine Legalisierung in der Schweiz wird wohl eher restriktiv sein. Dann kommt es sehr darauf an, welche Konsummuster als risikoarm gelten und welches Verhalten staatliche Eingriffe rechtfertigt.

Nicht überall ist die Auslegung so hart wie im Strassenverkehr. Um zwischen risikoarmem und risikoreichem Konsum zahlenmässig zu unterscheiden, nutzt beispielsweise das Schweizer Monitoring-System Sucht und NCD («MonAM») die 30-Tagesprävalenz. Das heisst (Zitat aus dem «Indikatorenset MonAM»): «Ein international anerkannter Schwellenwert des risikoreichen Cannabiskonsums (Leitindikator) liegt bei einem Gebrauch an 20 oder mehr Tagen in den letzten 30 Tagen (entspricht EMCDDA-Standard, vgl. Thanki/Vicente 2013).»

Auf safezone.ch kannst du online einen Selbsttest machen, um deinen Konsum einzuordnen! Dieser ist deutlich nuancierter und berücksichtigt z. B. neben der ­Häufigkeit des Konsums auch die Konsum- Motive und die eigene Einstellung zur ­Reduktion des Konsums.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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